Leitsatz (amtlich)

1. Die Deutsche Post AG ist nicht der öffentlichen Hand zuzurechnen und insofern im Rahmen der Verteilung der Werbezeitschrift "Einkauf Aktuell" nicht Normadressat aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für das Gebot der Staatsferne der Presse.

2. Das aus Art. 5 Abs. 1 GG folgende Gebot der Staatsferne der Presse ist nicht als Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG qualifizieren.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1 S. 2; UWG § 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 06.11.2008; Aktenzeichen 315 O 136/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.12.2011; Aktenzeichen I ZR 129/10)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 6.11.2008 - Gz. 315 O 136/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Unterlassung wegen eines behaupteten Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG in Anspruch.

Die Kläger sind Interessenverbände der Zeitungs- und Anzeigeblattverleger.

Die Beklagte ist aus dem ehemaligen deutschen Monopolunternehmen für P.- und T., der D. B., hervorgegangen. Sie ist das größte deutsche Unternehmen für Postdienstleistungen. Größter Einzelaktionär mit einem Anteil von 30,5 % ist die Kreditanstalt für den Wiederaufbau, die in der Öffentlichkeit unter der Bezeichnung "..." auftritt. Die ... wiederum ist die "..."; der Anteil des Bundes beträgt 80 %, der Anteil der Länder 20 %.

Die Beklagte verteilt über ihre Zusteller in bestimmten Gebieten (Ballungsgebiete und große Städte) an alle Haushaltungen, für die von den Beilagenkunden ein Verteilauftrag vorliegt, wöchentlich eine unadressierte Werbesendung mit der Bezeichnung "...". Darin enthalten ist eine TV-Programmübersicht mit dem aktuellen Fernsehprogramm der kommenden Woche. Ferner sind regelmäßig verschiedene Werbebeilagen beigefügt. Alles zusammen wird in einer Plastikumhüllung in die Briefkästen der Postkunden eingelegt. Etwa seit Oktober 2007 weitete die Beklagte den über das Fernsehprogramm hinausgehenden redaktionellen Teil der in den Ballungsgebieten Berlin sowie Hamburg/Lübeck/Kiel verteilten Werbesendungen aus. Wegen der Aufmachung der Werbezeitschrift im Einzelnen wird auf die als Anlagen eingereichten Ausgaben von "..." (Anl. K 5 bis K 25) Bezug genommen.

Die Kläger sind der Auffassung, das Herausgeben und das Verteilen einer derartigen Programmillustrierten stelle sich als Rechtsbruch i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dar.

Das LG hat durch das am 6.11.2008 verkündete Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die Kläger vollen Umfangs Berufung eingelegt. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgen sie ihr ursprüngliches Begehren fort.

Sie machen im Berufungsverfahren folgendes geltend:

Da die öffentliche Hand größter Einzelaktionär der Beklagten sei, beherrsche sie diese und verstoße durch die Herausgabe und das Verteilen der "..." gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Staatsferne der Presse. Dieses Verhalten sei wettbewerbswidrig nach § 4 Nr. 11 UWG und daher zu unterlassen. Tatsächlich werde die Beklagte durch die Bundesregierung noch immer wie ein staatliches Unternehmen geführt. Der öffentliche Anteilseigner besitze eine sichere Mehrheit in den Hauptversammlungen. Dies ergebe sich schon aus eigenen Angaben im Geschäftsbericht der T.(Anl. K 36). Die dortige Darstellung, über eine gesicherte Hauptversammlungsmehrheit bei der T. zu verfügen, gelte gleicher Maßen auch für die Beklagte, da die öffentliche Hand an beiden Unternehmen nahezu in gleicher Höhe beteiligt sei. Die Beklagte sei als halbstaatliches Unternehmen zu werten und damit der Sphäre des Staates zuzuordnen. Die Beklagte sei grundrechtsverpflichtet und nicht, wie das LG angenommen habe, grundrechtsberechtigt. Soweit sich das LG zur Stützung seiner Auffassung, dass gemischt-wirtschaftliche Unternehmen wie die Beklagte nicht Normadressat seien, auf die im Grundgesetz-Kommentar Maunz/Dürig zu Art. 1 Abs. 3 unter Rz. 97 niedergelegte Auffassung beziehe, so wiederhole der Autor Herdegen an dieser Stelle nur den Gesetzestext zu Art. 87 f. GG. Wer, wie die Beklagte, über eine Hauptversammlungsmehrheit verfüge, besitze auch die faktische Kapitalmehrheit. Wie sehr der Bund bzw. die Bundesregierung auf die Tätigkeit der Beklagten Einfluss nehme, ergebe sich auch aus der Ablösung des früheren Vorstandsvorsitzenden Dr ..., zu der die Bundeskanzlerin Stellung bezogen habe. Ferner habe sich auch im Rahmen des Verkaufs der Postbank gezeigt, wie sehr die Bundesregierung durch Äußerungen Einfluss auf die Beklagte ausübe. Die staatliche Ei...

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