Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgabe von Lastschriften als erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 133 I InsO setzt eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung der Gläubiger voraus, dass der Schuldner in einem Zeitraum von zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz Rechtshandlungen vorgenommen hat und der Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte.

2. Benachteiligungsvorsatz hat, wer bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Gewährt der Schuldner dem Anfechtungsgegner eine kongruente Deckung, also nur das, worauf dieser Anspruch hatte, sind an den Nachweis des Benachteiligungsvorsatzes zwar erhöhte Anforderungen zu stellen. In einem solchen Fall will der Schuldner in der Regel nur seine Verbindlichkeiten begleichen.

3. Der Schuldner hat eine angefochtene Rechtshandlung jedoch dann mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen, wenn er zur Zeit ihrer Wirksamkeit zahlungsunfähig war. Zahlungsunfähig ist ein Schuldner, der nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung kann nur dadurch wieder beseitigt werden, dass der Schuldner seine Zahlungen insgesamt wieder aufnimmt.

4. Weitere Voraussetzung des Anfechtungstatbestandes des § 133 I InsO ist, dass der Anfechtungsgegner den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners kannte. Seine Kenntnis wird vemutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn die Verbindlichkeiten des Schuldners bei dem späteren Anfechtungsgegner über einen längeren Zeitraum hinweg ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und jenem den Umständen nach bekannt ist, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt. Kennt ein Gläubiger tatsächliche Umstände, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er auch die (drohende) Zahlungsunfähigkeit kennt. Entsprechende Kenntnis wird vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die jeweilige Handlung die Gläubiger benachteiligte.

5. Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können, weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt, meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Solche Tatsachen stellen aber nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen dar, die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen.

6. Die Rückgabe von Lastschriften stellt ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar. Gleiches gilt für die Nichtausführung eines Dauerauftrags.

 

Normenkette

BGB §§ 387, 389; InsO § 133 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 12.02.2010; Aktenzeichen 302 O 289/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12.02.2010, Az. 302 O 289/08, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24.03.2010 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 35.686,66 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht...

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