Normenkette

EGV 1924/2006 Art. 10 Abs. 1, 3, Art. 28 Abs. 5-6; UWG §§ 3, 3a, 8 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 29.06.2021; Aktenzeichen 406 HKO 67/20)

 

Nachgehend

BGH (EuGH-Vorlage vom 01.06.2023; Aktenzeichen I ZR 109/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.06.2021, Az. 406 HKO 67/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angegriffene und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung aus Ziff. I. des angegriffenen Urteils (Unterlassung) durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 30.000,00 und im Übrigen wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem angegriffenen und dem vorliegenden Urteil jeweils insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung aus Ziff. I. des angegriffenen Urteils Sicherheit in Höhe von EUR 30.000,00 und wegen der Kostenvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, nimmt die Beklagte, die Lebensmittel vertreibt, wegen nach Auffassung des Klägers wettbewerbswidriger Äußerungen in Anspruch, welche die Beklagte in einem aus der Anlage K 1 ersichtlichen und über ihre Internetseite verbreiteten Angebot eines Nahrungsergänzungsmittel "o'gaenics Adapto-Genie ANTI-STRESS-KOMPLEX" getätigt hat. Die Angaben beziehen sich einerseits auf einen in dem Mittel enthaltenen Safran-Extrakt (Anträge zu I.1. und I.2.) und andererseits auf einen darin enthaltenen Melonensaft-Extrakt (Antrag zu I.3.).

Der Kläger ist der Ansicht, es handele sich bei den angegriffenen Angaben um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der Verordnung (EG) 1924/2006 (sogenannte Health-Claim-Verordnung, künftig: HCV), die nicht nach dieser Verordnung zulässig seien, so dass ihre Verbreitung gegen §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit der genannten Verordnung verstoße.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern,

zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "o'gaenics Adapto-Genie ANTI-STRESS-KOMPLEX" zu werben:

1. "stimmungsaufhellendes Safranextrakt",

2. "Das Safran-Extrakt Safr'Inside in Adapto-Genie wurde an 50 Teilnehmern über einen Zeitraum von 30 Tagen in einer Open Study getestet. Mit einer Dosis von 30 mg Safr'Inside pro Tag erleben 77 % der Probanden nach nur zwei Wochen Einnahme eine Verbesserung des emotionalen Gleichgewichts, fühlen sich optimistischer und glücklicher. 66 % fühlten sich auch entspannter und dynamischer. Nach 30 Tagen verbesserte sich bei 11 % der Probanden die Schlafqualität",

3. "Melonensaft-Extrakt mit Superoxid-Dismutase-Aktivität hat in Studien unter Beweis gestellt, dass nach 4 Wochen Stressgefühle und Erschöpfung abnahmen. Außerdem wurde die Reizbarkeit und Erschöpfung um 63 % reduziert, was zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität führte",

jeweils wenn dies geschieht, wie aus Anlage K 1 ersichtlich.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass die angegriffenen Angaben, weil sie sich auf sogenannte Botanicals bezögen, nicht nach der HCV unzulässig seien. Im Übrigen seien die ausgelobten Wirkungen durch die als Anlagen B 1 - B 4 vorgelegten Studien/Unterlagen wissenschaftlich hinreichend belegt.

Wegen des Vortrags der Parteien in erster Instanz wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es sich bei den angegriffenen Angaben um spezielle gesundheitsbezogene Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 1 HCV handele, die nicht gemäß Art. 13 HCV zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben aufgenommen worden seien. Dass die Listen nach Artt. 13 und 14 für Botanicals noch nicht erstellt worden seien, stehe einem Verbot nicht entgegen. Nach den Übergangsregelungen der Artt. 27 und 28 HCV dürften nur solche gesundheitsbezogenen Angaben weiterverwendet werden, die vor dem 19. Januar 2008 Gegenstand eines Zulassungsantrags nach der HCV geworden seien, was für die streitigen Angaben nicht festgestellt werden könne. Wegen der weitergehenden Feststellungen des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten sowie form- und fristgerecht eingelegten Berufung begehrt die Beklagte die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, die angegriffenen Angaben seien nicht nach Art. 10 HCV unzulässig, weil sie Botanicals beträfen, in Bezug auf die eine sachgerechte Anwendung der HCV aktuell nicht möglich sei, da die Listen nach Art...

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