Leitsatz (amtlich)

1. Eine unzulässige vergleichende Werbung i.S.d. § 6 II Nr. 2 UWG kann vorliegen, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls durch die Werbung ein schiefes Bild zu Lasten des Mitbewerbers hervorgerufen wird. Dies kann der Fall sein, wenn ein Durchschnittswert des eigenen Arzneimittels mit dem möglichen Extremwert des Konkurrenzprodukts verglichen wird, ohne dass dies hinreichend deutlich gemacht wird.

2. Unter der Angabe "aktueller Standard" in einer vergleichenden Arzneimittelwerbung wird ein Arzt regelmäßig eine in Fachkreisen anerkannte und durchgesetzte Normalmethode verstehen. Dies kann grundsätzlich nur eine der Zulassung entsprechende Therapie sein. Ob sich in Ausnahmefällen ein "Off-Label-Use" zu einer "Standardtherapie" entwickeln kann, bleibt offen. Jedenfalls müssen dann die besonderen Umstände des Einzelfalls deutlich in der Werbung aufgeführt werden.

 

Normenkette

HWG § 3a; UWG §§ 3, 5, 6 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 25.04.2006; Aktenzeichen 312 O 215/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 25.4.2006 (Aktenzeichen: 312 O 215/06) abgeändert.

Über das im Urteil des LG ausgesprochene Verbot hinaus wird der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall bis zu 250.000 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten,

für das Fertigarzneimittel CellCept ®

1. mit der nachstehend eingeblendeten Darstellung

und/oder

2. mit der nachstehend eingeblendeten Darstellung

zu werben und/oder werben zu lassen.

II. Die Anschlussberufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 25.4.2006 (Aktenzeichen: 312 O 215/06) wird zurückgewiesen.

III. In Abänderung der Kostenentscheidung des Urteils des LG tragen von den Kosten des Rechtsstreits die Antragstellerin 1/5 und die Antragsgegnerin 4/5.

 

Gründe

A. Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Fertigarzneimitteln, die in der Transplantationsmedizin zum Einsatz kommen und die Abstoßungsreaktionen des Körpers gegen ein körperfremdes Transplantat verhindern.

Die Antragstellerin beanstandet verschiedene werbliche Darstellungen aus einem Werbefolder der Antragsgegnerin als irreführend und als unzulässige Bewerbung eines Anwendungsbereichs außerhalb der Zulassung, §§ 3, 3a HWG.

Die Antragstellerin vertreibt das Arzneimittel Myfortic ® mit dem Wirkstoff Mycophenolsäure (als Mycophenolat-Natrium), die Antragsgegnerin das Arzneimittel CellCept ® mit dem Wirkstoff Mycophenolat-mofetil.

Beide Präparate basieren im Kern auf der Wirkung der Mycophenolsäure ("MPS" oder englisch "MPA"). Das Arzneimittel der Antragsgegnerin enthält jedoch nicht die eigentliche Mycophenolsäure, der Wirkstoff Mycophenolat-mofetil (MMF) ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass diese erst im Körper des Patienten in den eigentlich wirksamen Wirkstoff Mycophenolsäure umgewandelt wird (sog. "Prodrug"). Das Präparat der Antragstellerin ist - anders als das Mittel der Antragsgegnerin - mit einer magensaftresistenten Ummantelung verkapselt ("enteric coated" oder "EC") und wird deshalb auch nur kurz "EC-MPS" bezeichnet, während das Präparat der Antragsgegnerin üblicherweise kurz als "MMF" bezeichnet wird (5).

Gemäß Ziff. 4.1 der Fachinformation Anlage Ast 2 ist die Anwendung von CellCept

"in Kombination mit Ciclosporin und Corticosteroiden zur Prophylaxe von aktuten Transplantatabstoßungsreaktionen bei Patienten mit allogener Nieren-, Herz- oder Lebertransplantation angezeigt."

In Ziff. 4.2, 5. Absatz der Fachinformation für Myfortic ® (Anl. Ast 1) heißt es:

"Myfortic kann zu den Mahlzeiten oder unabhängig davon eingenommen werden. Die Patienten können eine der beiden Möglichkeiten auswählen, sollten diese dann jedoch beibehalten (s. Abschnitt 5.2)."

Entsprechende Einschränkungen finden sich in der deutschen Fachinformation für CellCept nicht (vgl. Anlage Ast 2).

In Ziff. 5.2 ("Pharmakologische Eigenschaften") der Fachinformation von Myfortic ® (Anlage Ast 1) heißt es weiter:

"... Im Vergleich zu Nüchtern-Bedingungen hatte die Verabreichung einer einzelnen Dosis von 720 mg Myfortic mit einer fettreichen Mahlzeit (55g Fett, 1000 Kalorien) keinen Einfluss auf die systemische Verfügbarkeit von MPA (AUC), dem für die Wirksamkeit relevantesten pharmakologischen Parameter. Es kam jedoch zu einem Abfall der maximalen MPA-Konzentration (cmax) um 33 %. Zusätzlich waren tlag und tmax durchschnittlich 3 bis 5 Stunden verzögert, wobei einige Patienten ein tmax von ≫ 15 Stunden aufwiesen. Der Einfluss von Nahrung führt möglicherweise zu einer Überlappung der Resorption von einem zum nächsten Dosisintervall von Myfortic. Es wurde allerdings nicht gezeigt, dass dieser Effekt klinisch signifikant ist."

Typischerweise sind mit de...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge