Leitsatz (amtlich)

1. Das Kindeswohl ist in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen, sogar noch im Vollstreckungsverfahren nach einem stattgebenden Rückführungsbeschluss.

2. Von der Anordnung einer Vollzugsmaßnahme ist abzusehen, wenn sie mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren ist.

3. Das Beschleunigungsgebot ist auch bei der Vollziehung einer Rückführungsanordnung besonders zu beachten.

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Beschluss vom 03.05.2013; Aktenzeichen 278 F 47/13)

 

Tenor

Der Antrag der Mutter auf Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 44 Abs. 2 und Abs. 3 IntFamRVG wird zurückgewiesen.

Die Vollstreckung der Rückführungsanordnung aus dem Beschluss des Familiengerichts Hamburg vom 3.5.2013, Gesch.-Nr. 278 F 47/13, findet nicht statt.

Der Beschluss vom 19.8.2013 wird aufgehoben.

Das Vollstreckungsverfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Verfahrenswert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Vater ist durch vollstreckbare Rückführungsanordnung gemäß Beschluss des Familiengerichts Hamburg vom 3.5.2013, Gesch.-Nr. 278 F 47/13, verpflichtet, die Kinder E. und M. binnen zwei Wochen nach Kanada zurückzuführen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters ist durch Senatsbeschluss vom 18.7.2013, Gesch.-Nr. 12 UF 111/13, zurückgewiesen worden.

Da der Vater der Rückführungsverpflichtung nicht Folge leistete, ist gegen ihn mit Senatsbeschluss vom 19.8.2013 gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 IntFamRVG ein Ordnungsgeld i.H.v. 10.000,- EUR verhängt worden. Zugleich hat der Senat wegen der im Rahmen der Vollstreckung der Rückführungsanordnung mit der Mutter und dem Jugendamt im Einzelnen abzustimmenden Modalitäten einstweilige Anordnungen zur Sicherung der Rückgabe der Kinder gem. § 15 IntFamRVG veranlasst.

Am 20.8.2013 teilte die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter mit, dass dem Vater durch ein Memorandum des für das Sorgerechtsverfahren in Kanada zuständigen Richters gestattet worden sei, die Kinder bis zu deren Anhörung/Begutachtung in Kanada, die ab 9.10.2013 stattfinden solle, in Deutschland zu behalten. Daraufhin hat der Senat mit Beschluss vom selben Tage die Vollstreckung (mit Ausnahme der Beitreibung des Ordnungsgeldes) einstweilen eingestellt unter Aufrechterhaltung der zur Sicherung der Rückführung angeordneten Maßnahmen.

Den Antrag des Vaters, die Vollstreckung endgültig einzustellen, hat der Senat mit Beschluss vom 20.9.2013 zurückgewiesen und die Aufhebung des Beschlusses vom 20.8.2013 in Aussicht gestellt für den Fall, dass der Vater die Kinder nicht bis zum 9.10.2013 zur Durchführung des Sorgerechtsverfahrens nach Kanada zurückbringt. Entsprechend dieser Ankündigung hat der Senat mit Beschluss vom 9.10.2013 den Beschl. v. 19.8.2013 - unter Aufhebung der in der Zwischenzeit ergangenen Beschlüsse - wieder in Kraft gesetzt und mit weiterem Beschluss vom 24.10.2013 den Gerichtsvollzieher beauftragt, die Kinder - unter fachlicher Begleitung einer zugleich beauftragten Kinderpsychologin - dem Vater wegzunehmen und an die Mutter herauszugeben.

Dieser Beschluss wiederum wurde mit Senatsbeschluss vom 5.11.2013 aufgehoben, da die Eltern in der Zwischenzeit, am 22.10.2013, vor dem Supreme Court of British Columbia eine Vereinbarung getroffen hatten, nach der die Kinder bis zu einer weiteren Anordnung des dortigen Gerichts oder einer schriftlichen Vereinbarung der Eltern in Deutschland bleiben sollten.

Eine von den Eltern zugleich getroffene Umgangsvereinbarung, nach der die Mutter in Deutschland in der Zeit vom 17.11. bis 1.12.2013 mit den Kindern Kontakt haben sollte, wurde nicht durchgeführt. Die Gründe hierfür sind streitig.

Mit Schriftsatz vom 7.3.2014 bittet die Mutter erneut um die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, da der Vater die Kinder noch immer nicht nach Kanada zurückgeführt und an die Mutter herausgegeben habe. Die Rückführung der Kinder sei aber erforderlich, weil der Supreme Court mit Beschluss vom 7.2.2014 den Beschluss vom 22.10.2013 aufgehoben habe, was zugleich bedeute, dass die Kinder nach Kanada zurückzuführen seien.

Auf die genannten Beschlüsse wird zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen.

Der Senat hat die übrigen Beteiligten schriftlich und die Kinder E. und M. am 16.5.2014 in Anwesenheit ihres Verfahrensbeistands persönlich angehört. Auf den Anhörungsvermerk wird verwiesen.

II.1.) Die Zuständigkeit des Senats für die Vollstreckung des Rückführungsbeschlusses folgt aus § 44 Abs. 2 IntFamRVG, da der Senat die vom Familiengericht angeordnete Rückführung der Kinder bestätigt hat.

2.) Die Vollstreckungsvoraussetzungen liegen weiterhin vor.

Der durch Senatsbeschluss vom 18.7.2013 bestätigte Beschluss des Familiengerichts vom 3.5.2013 ist ein Vollstreckungstitel i.S.v. § 86 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, der gem. § 86 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 40 Abs. 1, Abs. 2 IntFamRVG wirksam und vollstreckbar ist, da gegen die Entscheidung des Senats vom 18.7.2013 kein weiteres Rechtsmittel statthaft ist.

Nach wie vor hat der Vater die Kinder entgegen der gerichtlichen Anord...

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