Leitsatz (amtlich)

Zulässigkeitsvoraussetzung eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft ist, dass nach deren Auffassung die angefochtene gerichtliche Entscheidung sachlich oder rechtlich unrichtig ist. Maßgeblich hierfür ist grundsätzlich die Entscheidungsformel; aufgrund besonderer Rechtsvorschriften oder -sätze können die Entscheidungsgründe bestimmend sein.

Zur daraus folgenden Unzulässigkeit einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen ihren Antrag auf akustische Wohnraumüberwachung (§ 100 c StPO) ablehnenden Beschluss des Landgerichts, wenn die Staatsanwaltschaft als alleinige Eingriffsgrundlage § 100a StPO erachtet, aber zuvor ihr Antrag auf Telekommunikationsüberwachung (hier: Installation einer Entschlüsselungs-Software zur Überwachung des über Internet geführten Telekommunikationsverkehrs) nach Ausschöpfung des Beschwerderechtsweges erfolglos geblieben ist.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 11.11.2007; Aktenzeichen 623 Qs 2/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den Beschluss des Landgerichts, Große Strafkammer 23, vom 11. Oktober 2007 wird verworfen.

 

Gründe

I.

1.

In einem durch die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachtes von drei Betäubungsmittelverbrechen geführten Ermittlungsverfahren hat das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 29, mit Beschwerdebeschlüssen vom 17. August, 14. September und 26. Oktober 2007 gem. § 100 a StPO die Überwachung und Aufnahme des Telekommunikationsverkehrs "einschließlich der gesamten DSL-Daten, mithin sämtlicher Telekommunikationsformen wie Internet etc." bezüglich eines näher bezeichneten Anschlusses des Beschuldigten zu 1. bis (zuletzt) 26. November 2007 angeordnet.

Da nach den im Zuge der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnissen der Beschuldigte zu 1. über diesen Anschluss ein- und ausgehende Internet-Telefonate mittels eines Verschlüsselungsprogrammes führt, hat die Staatsanwaltschaft bei dem Amtsgericht Hamburg auf Ermächtigung angetragen, "diejenigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Telekommunikation in unverschlüsselter Form zu überwachen; gestattet wird insofern auch die Übertragung einer Übertragungssoftware auf das Endgerät des Beschuldigten und die Nutzung auch im Wege einer Fernsteuerung". Gegen den ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts vom 26. September 2007 hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Hamburg, Große Strafkammer 29, hat mit Beschluss vom 1. Oktober 2007 die Beschwerde verworfen, weil - sofern trotz begehrten Eingriffes vor bzw. nach dem zwischen Anrufer und Angerufenem erfolgenden Übermittlungsvorgang überhaupt Telekommunikation im Sinne des § 100 a StPO betroffen sei - diese Vorschrift als Rechtsgrundlage wegen Eingriffes nicht allein in den Schutzbereich des Art. 10 GG, sondern angesichts der Überspielung der Entschlüsselungssoftware auf den in der Wohnung des Beschuldigten befindlichen Rechner auch in den Schutzbereich des Art. 13 GG nicht ausreiche, weil auch keine Annexkompetenz zu §§ 100 a StPO gegeben sei, weil § 100 f StPO den Einsatz technischer Mittel nur außerhalb von Wohnungen erlaube, weil eine Kombination der Eingriffsermächtigungen aus §§ 100 a, 100 f StPO unzulässig sei und weil - falls der Anwendungsbereich der akustischen Wohnraumüberwachung nach § 100 c StPO betroffen sei - der Kammer als Beschwerdegericht die besondere Zuständigkeit nach §§ 100 d Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. 74 a Abs. 4 GVG fehle.

Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft am 8. Oktober 2007 unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung ihrer Auffassung, Rechtsgrundlage für die Überwachung verschlüsselter Internettelefonie mittels Ausleitung der überwachten Gespräche durch Aufspielen einer Entschlüsselungssoftware per "Trojaner" auf das Endgerät sei allein § 100 a StPO, bei der gem. §§ 100 d Abs. 1 S. 1 StPO, 74 a Abs. 4 GVG zuständigen Großen Strafkammer 23 des Landgerichts Hamburg beantragt, "gem. §§ 100 c Abs. 1, 2 Nr. 4 b, Abs. 3 S. 1, 100 d Abs.1, Abs. 2 StPO das Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes in der Wohnung des Beschuldigten ... bis zum 26. Oktober 2007 anzuordnen wie folgt: Es wird über das Internet eine Software auf den von dem Beschuldigten in seiner Wohnung ... genutzten Computer installiert, welche es ermöglicht, den von dem Beschuldigten mit Dritten über Internet geführten Telekommunikationsverkehr zu überwachen und auf Ton- und Schriftträger aufzuzeichnen, dies ausschließlich zu dem Zwecke, die Umsetzung des Beschlusses des Landgerichts Hamburg ... vom 14.09.2007 zu ermöglichen". Die angerufene Kammer hat mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 den Antrag "auf Anordnung des Abhörens und Aufzeichnens des nicht öffentlich gesprochenen Wortes in der Wohnung des Beschuldigten" abgelehnt, weil der Anwendungsbereich der akustischen Wohnraumüberwachung nach § 100 c StPO weder dem unmittelbaren Wortlaut noch erweiternder Auslegung zufolge betroffen sei, insbesondere - anders als von der Regelung des § 100 c StPO intendiert - der Schutzbereich (auch)...

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