Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu dem Anspruch eines aus der Ehewohnung ausgezogenen Ehegatten auf Entlassung aus Mietverhältnis

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Ehegatte kann gegenüber dem anderen Ehegatten während der Trennungszeit verpflichtet sein, an der Entlassung aus dem gemeinsamen Mietverhältnis mitzuwirken, wenn diese Änderung angemessen und für den betroffenen Ehegatten zumutbar ist.

 

Normenkette

BGB § 1353 Abs. 1 S. 2, § 1361b Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg-Harburg (Beschluss vom 21.01.2010)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Familiengerichts Hamburg-Harburg vom 21.1.2010 unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert.

Dem Antragsteller wird für die erste Instanz Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt W. bewilligt, soweit er die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Entlassung des Antragstellers aus dem Mietverhältnis mit der GbR Wohnanlage R. m.b.H. über die Wohnung R., ... Hamburg, begehrt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Der Antragsteller hat die ehemalige Ehewohnung R., ... Hamburg, verlassen, die Antragsgegnerin bewohnt die Wohnung seit November 2008 weiterhin allein im Rahmen des mit den Parteien ehemals gemeinsam begründeten Mietverhältnisses. Der Antragsteller ist aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 24.3.2009 (AG Hamburg-Harburg, 632 F 300/08) verpflichtet, die Miete, für die die Parteien gesamtschuldnerisch haften, im Innenverhältnis allein zu tragen. Für seinen Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihre Zustimmung zu Kündigung des Mietverhältnisses zu erteilen, hat ihm das Familiengericht Verfahrenskostenhilfe verweigert. Der Antragsteller begehrt im Wege der Beschwerde gegen die Versagung der Verfahrenskostenhilfe nunmehr, die Antragsgegnerin zum Abschluss eines Mietvertrages im Einverständnis mit dem Vermieter, hilfsweise zur Kündigung des Mietverhältnisses zu verpflichten.

II. Die gem. §§ 76 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, über die gem. § 568 S. 1 ZPO die Einzelrichterin zu entscheiden hat, ist, soweit der Antragsteller mit seinem geänderten Antrag vom 6.8.2010 die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Entlassung des Antragstellers aus dem Mietverhältnis über die ehemalige Ehewohnung begehrt, begründet, so dass ihm hierfür Verfahrenskostenhilfe nicht mangels Erfolgsaussicht versagt werden kann, §§ 76 FamFG, 114 ZPO.

Die hier geltend gemachte Verpflichtung der Antragsgegnerin, an der Entlassung des Antragstellers aus dem Mietverhältnis mitzuwirken, folgt aus dem auch für getrenntlebende Ehegatten geltenden Gebot zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich für beide Ehegatten die - aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB abzuleitende - Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist (BGH FamRZ 2005, 182).

Ein Ehegatte kann daher ggü. dem anderen auch verpflichtet sein, an der Entlassung aus dem gemeinsamen Mietverhältnis mitzuwirken, wenn diese Änderung angemessen und für den betroffenen Ehegatten zumutbar ist. Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Dem Verlangen auf Entlassung des Antragstellers aus dem Mietvertrag mit dem insoweit kooperationswilligen Vermieter kann die Antragsgegnerin insbesondere nicht die Bestimmung des § 1361b Abs. 3 BGB entgegen halten. Der Antragsteller beabsichtigt gerade nicht, das Nutzungsrecht der Antragsgegnerin an der Ehewohnung zu erschweren oder zu vereiteln. Die von ihm angestrebte Entlassung aus dem Mietverhältnis, ggf. auch im Wege der Begründung eines eigenen Mietverhältnisses zwischen Antragsgegnerin und Vermieter, steht der Nutzung der Ehewohnung durch die Antragsgegnerin nicht entgegen, sondern entspricht dem übereinstimmenden Willen der Parteien, nach dem die Wohnung von der Antragstellerin auch auf Dauer allein genutzt werden soll. Hiervon ist auch weiterhin auszugehen, nachdem die Parteien seit nunmehr länger als zwei Jahren getrennt leben.

Der zwischen den Parteien im Rahmen des Unterhaltsverfahrens getroffene Vergleich vom 24.3.2009 steht dem nicht entgegen, da damit nur die Erfüllung der Unterhaltspflicht geregelt wird durch und für die Dauer der Mietzahlung durch den Antragsteller. Eine Verpflichtung des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des gemeinschaftlichen Mietverhältnisses bis zur derzeit nicht absehbaren Rechtskraft der Ehescheidung - und zur Zahlung von Ehegattenunterhalt in Höhe der Miete ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Antragstellers - besteht danach nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2598338

FuR 2010, 701

NJW-RR 2011, 374

NZM 2011, 311

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