Entscheidungsstichwort (Thema)

Parteidispositiver Streitwert

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Gerichte haben bei der Streitwertfestsetzung grundsätzlich keine Veranlassung, von übereinstimmenden Wertangaben der Parteien abzuweichen, wenn diese angemessen sind.

2. Diese Grundsätze gelten nicht bei einer - übereinstimmenden - unangemessen niedrigen Streitwertangabe der Parteien. Andernfalls würden die Prozessparteien in die Lage gesetzt würden, zu Lasten der Staatskasse berechtigte Gebührenforderungen zu verkürzen oder die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung einzulegen, zu beschneiden.

3. Erachten die Parteien demgegenüber übereinstimmend einen unangemessen hohen Streitwert für angemessen, so sind die das Gerichte grundsätzlich nicht gehindert, die Vorstellungen der Beteiligten, die diese im Rahmen der zivilprozessualen Privatautonomie, der Wertfestsetzung zugrunde zu legen. Will sich in diesem Fall allerdings eine der Parteien an der übereinstimmenden Streitwertbemessung nicht mehr festhalten lassen und stellt sich die Streitwertangabe als so offensichtlich überhöht dar, dass Sachgründe eine Wertfestsetzung in dieser Höhe nicht rechtfertigen könnten, so hat die Wertfestsetzung auch in diesen Fällen in der Regel abweichend von den übereinstimmenden Angaben der Parteien zu erfolgen.

 

Normenkette

ZPO § 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 23.09.2003; Aktenzeichen 327 O 84/06)

 

Tenor

Auf die aus eigenem Recht eingelegte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Streitwert in Abänderung des Beschlusses des LG Hamburg vom 23.9.2003 auf 150.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist auch begründet. Der Streitwert ist - wie von der Klägerin in der Klageschrift angegeben - auf 150.000 EUR festzusetzen. Die gegenteilige Auffassung des LG teilt der Senat nicht.

1. Allerdings hat sich das LG bei der abweichenden Wertfestsetzung im Rahmen des Urteils vom 4.5.2006 sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 30.5.2006 eingehend und zutreffend mit denjenigen Kriterien und Rechtsgrundsätzen auseinander gesetzt, die im Regelfall für die Streitwertbemessung gem. § 3 ZPO ausschlaggebend sind. Die Kammer hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass der Senat in anderen Fällen einer Werbung mit unzutreffenden Herstellerpreisempfehlungen (deutlich) niedrigere Streitwerte festgesetzt hat. Hieran ist für den Regelfall auch festzuhalten.

2. Die dafür maßgeblichen Erwägungen können hier jedoch keine ausschlaggebende Berücksichtigung finden. Denn der vorliegende Fall ist durch Besonderheiten geprägt, die eine Streitwertfestsetzung in der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragten Umfang rechtfertigen.

a) Das LG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die einseitige Wertangabe der antragstellenden Partei zur Höhe des Streitwerts in der Antrags- bzw. Klageschrift zwar ein maßgebliches Indiz darstellt, jedoch keine bindende Wirkung entfaltet und das zur Wertfestsetzung berufene Gericht nicht gehindert ist, den Streitwert abweichend von den Angaben der klagenden Partei festzusetzen. In vielen Fällen ist eine derartige abweichende Festsetzung sogar unausweichlich geboten.

b) Diese Grundsätze gelten indessen nicht in gleicher Weise, wenn beide Prozessparteien übereinstimmend einen bestimmten Streitwert für angemessen erachten und dies ausdrücklich erklären.

aa) In diesem Fall spricht eine wesentlich höhere, zumeist weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Prozessparteien - die ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und das Gefährdungspotential selbst am besten beurteilen können - die für die Wertbemessung relevanten Umstände zutreffend erfasst und ihrer übereinstimmenden Wertbestimmung zugrunde gelegt haben. Die Gerichte werden in derartigen Fällen in der Regel keine Veranlassung haben, die übereinstimmende Wertangabe der Prozessparteien zu korrigieren, sofern hierfür keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind.

bb) Allerdings steht es nicht zur Disposition der Prozessparteien, den Streitwert übereinstimmend in einer beliebigen, ihnen angemessenen Höhe zu bestimmen. Insbesondere kann eine unangemessen niedrige Streitwertbemessung der Parteien keine Indizwirkung für die gerichtliche Wertbemessung haben, weil die Prozessparteien hierdurch andernfalls in die Lage gesetzt würden, zu Lasten der Staatskasse berechtigte Gebührenforderungen zu verkürzen oder die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung einzulegen, zu beschneiden. Hierauf beziehen sich nach dem Verständnis des Senats im Wesentlichen die Ausführungen des 5. Zivilsenats des BGH in der von dem LG zitierten Entscheidung vom 8.5.1990.

cc) Entsprechende Gefahren bestehen indessen nicht, wenn die Prozessparteien übereinstimmend einen nach Sachlage zu hohen Streitwert als angemessen erachten. In diesem Fall sind keine Umstände ersichtlich, aus welchen Gründen die zur Entscheidung berufenen Gerichte gehindert sein so...

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