Entscheidungsstichwort (Thema)

Spruchverfahren: Bestimmung eines Abfindungs- bzw. Ausgleichsanspruchs

 

Normenkette

SpruchG § 1 Nr. 1, § 5 Nr. 1, § 17 Abs. 2; AktG §§ 304-305

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 20.12.2011; Aktenzeichen 404 HKO 25/11)

BGH (Beschluss vom 19.07.2010; Aktenzeichen II ZB 18/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerinnen und unter Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin zu 2 wird der Beschluss des LG Hamburg vom 20.12.2011 abgeändert:

1.) Die Ausgleichszahlung gem. § 304 Abs. 1 AktG aus dem zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1.) und 2. abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag vom 19.11.2001 wird auf EUR 1,85 (brutto) je Aktie abzgl. Körperschaftssteuerbelastung in Höhe des jeweils geltenden gesetzlichen Tarifs einschließlich Solidaritätszuschlages sowie weiter abzgl. der durch Anwendung der jeweils geltenden Steuermesszahl auf den Gewerbeertrag und hierauf des jeweils geltenden Hebesatzes ermittelten Gewerbeertragssteuerbelastung festgesetzt.

2.) Die Anträge der Antragsteller auf Festsetzung des Abfindungsbetrages gem. § 305 Abs. 1 AktG auf mehr als EUR 21,50 je Stückaktie werden zurückgewiesen.

Der Abfindungsbetrag ist für die Zeit vom 16.3.2002 bis zum 31.8.2009 mit jährlich 2 vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB, für die Zeit seit dem 1.9.2009 mit jährlich 5 vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB zu verzinsen.

3.) Die Kosten des Verfahrens 1. Instanz einschließlich der in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller tragen die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldner.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin zu 2; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Die Vergütung für die Tätigkeit des Gemeinsamen Vertreters erster Instanz hat die Antragsgegnerin zu 1, diejenige für die zweite Instanz die Antragsgegnerin zu 2 zu tragen.

 

Gründe

I. Wegen des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird auf die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

1.) Die Antragsgegnerinnen wenden sich mit ihrer am 10.1.2012 bei Gericht eingegangenen Beschwerde gegen die Erhöhung von Abfindungs- und Ausgleichsbetrag durch den ihnen am 28.12.2011 zugestellten Beschluss.

Sie beanstanden zunächst, dass der Zinsausspruch des LG nicht der gesetzlichen Regelung entspreche.

Weiter sei die Heraufsetzung des Abfindungsbetrages nach Maßgabe des gewichteten Durchschnittskurses in den drei Monaten vor Bekanntmachung der Strukturmaßnahme auf EUR 21,61 je Stückaktie nicht sachgerecht - tatsächlich habe seinerzeit hinsichtlich der ...-Aktie Marktenge bestanden. Da tatsächlich im Referenzzeitraum nur 0,0059 % der Aktien gehandelt worden seien, sei nicht nachvollziehbar, wie das LG auf einen "regen Börsenhandel" habe schließen können. Ebenso unzutreffend sei die Annahme des LG, die Bildung von über dem Limit der Dauerkauforder der Antragsgegnerin zu 1 von EUR 21,50 liegenden Kursen an nur zwei Handelstagen führe nicht zu der Annahme, dass diese Ausschläge ohne Bindung an die reale Wertschätzung des Unternehmens am Markt rein spekulativ gebildet worden seien.

Hinsichtlich des Ausgleichsbetrages wenden sich die Antragsgegnerinnen gegen die Anwendung der Grundsätze der sog. "Ytong-Entscheidung" (BGH II ZB 17/01 vom 21.7.2003) durch das LG.

Tatsächlich sei - in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht im Schrifttum - weiterhin von der Nettoberechnung des Unternehmenswertes auszugehen und damit die am Stichtag zu prognostizierende Definitiv-Steuerbelastung vom Unternehmenswert in Abzug zu bringen. Der vom BGH hinsichtlich der künftigen Körperschaftssteuerbelastung vorgenommene Bruttoansatz verletze tatsächlich das im Übrigen auch vom BGH stets betonte Stichtagsprinzip bei der Unternehmensbewertung, ohne dass es hierfür eine tragfähige Begründung gebe.

Selbst wenn man dem Bruttoansatz des BGH folgen wolle, so müsse zumindest auch der Abzug der Gewerbeertragssteuer in gleicher Weise wie der Abzug der effektiven Körperschaftssteuerbelastung angeordnet werden, da es sich auch bei dieser um eine auf Unternehmensebene anfallende Ertragsteuer handele.

Daneben seien dem LG mehrere Berechnungsfehler unterlaufen; insoweit wird auf Anl. AGG 14a - c zum Schriftsatz der Antragsgegnerinnen vom 9.1.2012 Bezug genommen.

2.) Die Antragstellerin zu 2 beanstandet mit ihrer Beschwerde gleichfalls die Verzinsungsregelung des LG.

Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass eine Abfindung von nicht weniger als EUR 22 anzuordnen sei. Tatsächlich sei als Referenzperiode für die Festlegung des Aktienkurses nicht auf den Zeitraum von drei Monaten vor der ad-hoc-Mitteilung vom 6.12.2001 (mit der die Strukturmaßnahme bekannt gemacht wurde) abzustellen, da bis zur beschlussfassenden Hauptversammlung am 27.6.2002 fast sieben Monate vergangen seien. Maßgeblich abzustellen sei auf den in der Hauptversammlung im Juni 2002 gefassten Beschluss zur Bestätigung des Beschlusses vom 28.1.2002, da gem. § 244 AktG derartige Bestätig...

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