Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Festlegung einer Altersgrenze von 65 Jahren für die Aufnahme in die Vorauswahlliste im Zusammenhang mit dem Vorauswahlverfahren zur Bestellung von Insolvenzverwaltern

 

Leitsatz (amtlich)

Leitsätze des Einsenders:

I. Das Verfahren gem. §§ 23 ff. EGGVG ist auch gegenüber de-listing-Bescheiden zur Streichung von der Verwalter-Vorauswahl-Liste anzuwenden.

II. Der jeweilige listenführende Insolvenzrichter ist vom Gericht an dem Verfahren zusätzlich zur Behörde oder, wenn diese nach Landesgesetz nicht Antragsgegnerin sein kann, des Bundeslandes als Antragsgegner zu beteiligen.

III. Das Insolvenzverwalteramt ist ein Öffentliches Amt.

IV. Die Anwendung einer generellen Altersgrenze beim Zugang zur Vorauswahl-Liste für Insolvenzverwalter bedarf gesetzlicher Regelung und verstößt ansonsten gegen Art. 12 GG.

 

Normenkette

EGGVG §§ 23, 28 Abs. 3; GG Art. 12 Abs. 1 S. 2, Art. 19 Abs. 4; InsO § 56 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BGH (Beschluss vom 19.12.2007; Aktenzeichen IV AR(VZ) 6/07)

OLG Hamm (Entscheidung vom 02.08.2007; Aktenzeichen 27 VA 1/07)

BVerfG (Entscheidung vom 09.03.2007; Aktenzeichen 1 BvR 2887/06)

 

Tenor

Der Bescheid des Antragsgegners zu 2. vom 10.10.2011 wird aufgehoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers werden der Staatskasse auferlegt.

Der Verfahrenswert wird auf EUR 3.000,– festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Antragsteller ist über 65 Jahre alt und seit 1978 als Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter tätig, wobei auch der Antragsgegner zu 2. ihn bisher auf seiner Vorauswahlliste geführt hat.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.10.2011, der dem Antragsteller am 12.10.2011 zugegangen ist, hat der Antragsgegner zu 2. diesem mitgeteilt, dass er ihn nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr weiter auf seiner Verwaltervorauswahlliste führen werde. Grund für diese Streichung von der Liste mit Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren sei die Dauer der Insolvenzverfahren. Es könne nicht mehr allgemein prognostisch gewährleistet werden, dass Neuverfahren vom Antragsteller noch vor seinem von ihm gewünschten und bestimmten altersbedingten Ausscheiden abgewickelt werden könnten. Diese Verfahren wären dann kostenträchtig auf andere Verwalter zu übertragen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem am 11.11.2011 bei Gericht eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß den §§ 23 ff EGGVG, mit dem er die Aufhebung dieses Bescheides vom 10.10.2011 begehrt.

Der Antragsteller trägt vor: Die Festlegung einer Altersgrenze von 65 Jahren für die Aufnahme in die Vorauswahlliste greife in sein verfassungsrechtlich geschütztes Recht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Es fehle an der nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erforderlichen gesetzlichen Grundlage. Zudem sei seine Streichung von der Vorauswahlliste auch unverhältnismäßig, da nicht erforderlich im Interesse des Gemeinwohls. Rechtsanwälte wie Insolvenzverwalter könnten je nach physischer und psychischer Verfassung bis weit über das Alter von 65 Jahren erfolgreich und kompetent ihren Beruf ausüben.

Die Antragsgegner haben mit Schreiben vom 22.11.2011 bzw. vom 23.12.2011, auf die jeweils Bezug genommen wird, Stellung genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist entsprechend § 23 EGGVG zulässig.

Nach der Entscheidung des Bundes vom 3. August 2004 (NJW 2004, 2725 ff.) muss das Vorauswahlverfahren zur Bestellung von Insolvenzverwaltern gem. Art. 19 Abs. 4 GG justiziabel sein. Gem. § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebietendes bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozessrechts, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege getroffen werden, wobei der Rechtsweg nach den §§ 23 ff EGGVG gegen Rechtsprechungsakte der Gerichte nicht eröffnet ist. Das Insolvenzverfahren folgt den Regeln des Zivilprozesses (§ 4 InsO). Die Aufnahme eines Bewerbers in eine Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter erfolgt zwar durch den Richter in richterlicher Unabhängigkeit, ist aber kein Rechtsprechungsakt. Seiner Funktion nach wird der Insolvenzrichter bei dieser Entscheidung vielmehr als Justizbehörde tätig. Als Rechtsweg bietet sich daher eine entsprechende Anwendung von § 23 EGGVG an, die sich seit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch etabliert hat (vgl. BGH, Beschl. v. 16.05.2007, IV AR (VZ) 5/07 zitiert nach […] Beschl. v. 19.12.2007 IV (VZ) AR 6/07, NJW-RR 2008, 717 ff, 718 [BGH 19.12.2007 – IV AR(VZ) 6/07]).

Dabei ist dieser Rechtsweg nicht nur dann gegeben, wenn die Aufnahme eines Bewerbers in die Vorauswahlliste vom Insolvenzrichter abgelehnt wird, sondern auch dann, wenn ein Bewerber von dieser Liste gestrichen wird.

Der schriftliche Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Antragstellers ist auch binnen der Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG gestellt worden.

Richtiger ...

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