Verfahrensgang

AG Hamburg (Entscheidung vom 04.01.2005)

 

Gründe

I. Gegen den Betroffenen wurde mit Bescheid vom 12.05.04 eine Geldbuße in Höhe von 1.000,- EUR festgesetzt. Ihm wurde vorgeworfen, in der Nacht zum 07.10.03 im Stadtgebiet der Freien und Hansestadt Hamburg eine grob ungehörige Handlung vorgenommen zu haben, die geeignet war, die Allgemeinheit zu belästigen und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen, indem er in der Herbertstraße, im Millerntorstadion, auf dem Gelände der Universität und an der Elbe in aller öffentlichkeit plastinierte Leichen ausstellte, um diese zu fotografieren und Passanten damit zu konfrontieren.

Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht den Betroffenen mit dem angefochtenen Beschluss freigesprochen. Gegen diesen Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Die Entscheidung des Amtsgerichts kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die aus dem Beschluss ersichtlichen Feststellungen in einem so erheblichen Maße lückenhaft sind, dass sie einer Rechtskontrolle nicht zugänglich sind.

Die Begründungspflicht eines Beschlusses gemäß § 72 Abs. 5 OWiG hat sich an den Voraussetzungen eines Urteil in Strafsachen zu orientieren (Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 72 OWiG Rdnr. 63 m.w.N.). Zwar sind die Anforderungen an den Begründungsaufwand im Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich geringer als im Strafverfahren. Das Rechtsbeschwerdegericht muss aber zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung dem Beschluss entnehmen können, welche Feststellungen der Tatrichter getroffen hat (Göhler a. a. O. § 71 OWiG Rdnr. 42 m. w. N.). Auch die Beweiswürdigung muss im Bußgeldverfahren dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung (insbesondere im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze) ermöglichen. Der Beschluss muss deshalb erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, wie sich der Betroffene eingelassen hat und warum das Gericht seiner Einlassung folgt (Göhler a. a. O. § 71 OWiG Rdnr. 43).

An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Der Beschluss enthält bereits keine zusammenhängende Darstellung des Sachverhalts. Es wird lediglich der Inhalt des Bußgeldbescheids wiedergegeben und anschließend werden vor allem rechtliche Erwägungen angestellt und Thesen aufgestellt. Auch aus dem Gesamtzusammenhang dieser Erwägungen lassen sich allenfalls bruchstückhafte Feststellungen zum Geschehen entnehmen.

So wird in den Entscheidungsgründen zwar mitgeteilt, ein wesentlicher Teil der Exponate, die der Betroffene in einer Ausstellung gezeigt hat, stelle "schulbuchmäßig diverse Einzelheiten von Blutgefäßen, Muskeln, Nerven und anderen sonst in ihrer Gesamtheit nicht sichtbaren Körperfunktionen" dar. Ein anderer Teil der hergestellten Exponate sei stark verfremdet worden. Der Beschluss nennt hier beispielhaft einen Reiter auf einem Pferd und einen Fußballtorwart. Dem Beschluss lässt sich aber nicht entnehmen, wie die Exponate beschaffen waren, die der Betroffene in der Nacht zum 07.10.03 an den angegebenen Orten fotografieren ließ.

Soweit eine Beweiswürdigung stattfindet, befasst sie sich lediglich mit der Frage des Vorsatzes, ohne die Einlassung des Betroffenen wiederzugeben. Eine Aktion in der öffentlichkeit soll der Betroffene nicht geplant haben. Dies soll bereits aus der Auswahl der Handlungsorte folgen. Diese Argumentation erschließt sich dem Senat lediglich hinsichtlich des Millerntorstadions ohne nähere Erläuterung. An diesem Ort war es sicher möglich, Unbeteiligten die Wahrnehmung der Objekte zu ersparen. Fotoaufnahmen zur Nachtzeit schließen in einer Großstadt wie Hamburg für sich genommen eine Wahrnehmung dieser Aktion durch Unbeteiligte nicht aus.

Hier wären nähere Darlegungen erforderlich gewesen, aus denen sich beispielsweise ergibt, wie der Betroffene den Anblick der Exponate durch Dritte ausgeschlossen haben will. Bezüglich des Handlungsortes Herbertstraße wird am Ende des Beschlusses dann doch Publikumsverkehr festgestellt. Diese Feststellung steht damit im Widerspruch zu der vorherigen Behauptung, die Auswahl der Handlungsorte schließe bereits eine Kenntnisnahme durch die öffentlichkeit aus.

2. Hinsichtlich der neu zu treffenden Entscheidung sieht sich der Senat zu folgenden Anmerkungen veranlasst.

a) In Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur erfüllen die plastinierten menschlichen Körper - entgegen der Subsumtion im angefochtenen Beschluss - alle Voraussetzungen einer Leiche.

Unter einer menschlichen Leiche versteht man den Körper eines Verstorbenen, solange sein Zusammenhang zwischen den Einzelteilen durch den Verwesungsprozess oder auf andere Weise noch nicht völlig aufgehoben ist (VGH München, NJW 1618, m. w. N.; OVG Rheinland - Pfalz, DöV 1987, 826; Bremer, NVwZ 2001, 167 m. w. N.; Benda NJW 2000, 1769, 1770; Thiele, NVwZ 2000, 405, 407). Nach den Feststellungen des angefoc...

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