Leitsatz (amtlich)

1. Die Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten des Ehepartners aufgrund des § 2077 Abs. 1 BGB wegen Auflösung der Ehe vor dem Tod des Erblassers stellt einen Wegfall des zunächst bedachten Erben im Sinne des § 2096 BGB dar, so dass der Ersatzerbfall eintritt.

2. Die Einsetzung eines Ersatzerben ist im Verhältnis zur primären Erbeinsetzung eine selbständige Verfügung im Sinne des § 2085 BGB und bleibt deshalb wirksam, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie ohne die unwirksame Erbeinsetzung nicht erfolgt wäre. Dies kommt auch dann in Betracht, wenn Verwandte des später gemäß § 2077 Abs. 1 BGB weggefallenen Ehepartners als Ersatzerben bestimmt wurden.

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Beschluss vom 06.02.2015; Aktenzeichen 76 IV-VI 827/00)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde vom 18.02.2015 wird der Beschluss des AG Hamburg vom 06.02.2015 aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, über den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts zu entscheiden.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten für das Beschwerdeverfahren findet nicht statt.

3. Der Verfahrenswert wird 188.869 Euro festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Erteilung eines Erbscheins an den Beteiligten zu 1.), die maßgeblich von der Auslegung des Testaments der Erblasserin abhängig ist.

Die Erblasserin G. M. T. verstarb am 28.03.2013. Sie hinterließ ein notarielles Testament vom 04.05.2000, mit unter anderem folgenden Inhalt:

"1. Zu meinem alleinigen Erben setze ich ein meinen Ehemann, Herrn H. T., geboren am 26.4.1948, wohnhaft: (...).

Er soll über den Nachlass sowohl unter Lebenden, als auch von Todes wegen völlig frei verfügen können.

2. Für den Fall, dass mein Ehemann als Erbe wegfallen sollte, berufe ich zu Ersatzerben zu gleichen Teilen:

den - minderjährigen - nicht ehelichen Sohn meines Ehemannes, Y. T., geboren am 4.4.1999, wohnhaft: (...) und

den - minderjährigen - Neffen meines Ehemannes, F. T., geboren am 20.3.1986, wohnhaft: (...)."

Die Erblasserin wurde am 15.11.2011 von ihrem Ehemann geschieden. Die Scheidung wurde rechtskräftig mit Ausnahme der Regelung über den Versorgungsausgleich.

Mit Beschluss vom 31.07.2013 (Bl. 31 d.A.) wurde durch das AG Hamburg eine Nachlasspflegschaft zur Verwaltung des Nachlasses und Ermittlung der Erben eingerichtet.

Mit Antrag vom 18.07.2014 (Bl. 106 d.A.) beantragte der Beteiligte zu 1.) durch seinen Rechtsanwalt, die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zu je Y:! zusammen mit dem Beteiligten zu 4.). Hierfür wurde schon bereits vorab ausgeführt, dass die beiden im Testament berufenen Ersatzerben auch nach der Scheidung der Eheleute intensiven Kontakt zu der Erblasserin gehabt hätten und eine Erbeinsetzung daher unabhängig von dem Wegfall des Ehemannes als zunächst Bedachten gewollt gewesen wäre.

Mit Verfügung vom 27.11.2014 wurde die Nachlasssache auf den Richter übertragen, da die Erbscheinserteilung nicht unstreitig ist (Bl. 123 d.A.).

Das AG hat dann mit Beschluss vom 06.02.2015 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1.) abgelehnt (Bl. 147 d.A.). Die Erbeinsetzung zugunsten des Ehemannes der Erblasserin sei gemäß § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam und dies habe zur Folge, dass auch die Ersatzerbeinsetzung der Beteiligten zu 1.) und 4.) unwirksam werde. Ein entgegenstehender Wille der Erblasserin gemäß § 2077 Abs. 3 BGB dahingehend, dass sie eine solche Verfügung auch im Falle einer Eheauflösung getroffen hätte, könne nicht ermittelt werden. Ein Ersatzerbfall sei schon gar nicht eingetreten, da unter "Wegfall" des Ehemannes nicht die Unwirksamkeit gemäß § 2077 Abs. 1 BGB zu verstehen sei. Selbst wenn man dies annehme, so sei die Ersatzerbeneinsetzung an § 2085 BGB nur zu messen, sofern dies eine selbstständige testamentarische Regelung darstelle. Dies sei bei der Einsetzung eines Ersatzerben aber nicht der Fall, da diese mit der Erbeinsetzung des zunächst Bedachten unauflöslich verbunden sei. Mangels Selbstständigkeit der Verfügung komme § 2085 BGB nicht zur Anwendung und die gesamte testamentarische Verfügung sei unwirksam geworden. Auch eine Testamentsauslegung komme zu keinem anderen Ergebnis, da die Bindung der Erblasserin zu den Beteiligten zu 1.) und 4.) nicht intensiv genug gewesen sei, als dass eine Begünstigung unabhängig von der Einsetzung des Ehemannes als Ersatzerben anzunehmen sei.

Gegen diesen Beschluss, zugestellt am 12.02.2015, legte der Beteiligte zu 1.) am 18.02.2015 Beschwerde ein (Bl. 162 d.A.). Als Begründung wurde vorgetragen, § 2077 Abs. 1 betreffe nur die Unwirksamkeit der Einsetzung des Ehemannes. Es sei unrichtig, dass eine Unwirksamkeit der Erbeinsetzung im Falle des § 2077 Abs. 1 BGB zur Folge habe, dass der Ersatzerbfall nicht eintrete. Die Ersatzerbeneinsetzung sei eine selbstständige testamentarische Verfügung, deren Wirksamkeit sich nach § 2085 BGB bestim...

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