Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtskraft einer Entscheidung muss zurücktreten, wenn sie sittenwidrig herbeigeführt ("erschlichen") wurde (§ 826 BGB) Die Klage aus § 826 BGB ist kein "außerordentlicher Rechtsbehelf" gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern die Anwendung materiellen Zivilrechts, die nicht von dem prozessualen Verfahren abhängt, in dem das Urteil gefällt worden ist, dessen Rechtskraft durchbrochen werden soll

2. Das Gericht hat im Falle der sittenwidrigen Erschleichung des Titels u.a. zu prüfen, ob die Entscheidung im Vorprozess auf einer wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderung oder verfälschten Beweismitteln und hier insb. auf verfälschten Urkunden beruht; zu diesem Zweck dürfen und müssen die den Feststellungen des Vorprozesses zugrunde liegenden Beweismittel und Beweisergebnisse neu gewürdigt werden. Urkunden, die im Vorprozess als Original vorgelegt und behandelt wurden, dürfen als im Beweiswert erheblich geminderte Abschriften oder Rekonstruktionen erkannt werden; eine im Vorprozess beweiserhebliche Urkunde kann auf ihre Richtigkeit hin überprüft und ihre Verfälschung festgestellt werden.

3. Der Überprüfung der Vergleichsunterschriften steht die Geständnisfunktion der §§ 439 Abs. 3, 288 ZPO nicht entgegen, denn die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses beschränkt sich auf den Prozess, in dem es abgegeben wurde, hier also auf den Vorprozess; für den Schadensersatzprozess nach § 826 BGB gilt die Beschränkung des Rechts auf freie Beweiswürdigung nicht.

 

Normenkette

BGB § 826; ZPO §§ 288, 439

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.05.2002; Aktenzeichen 2-04 O 173/90)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 14.5.2002 (2-04 O 173/90) i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses vom 4.9.2002 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.790.431,68 EUR

nebst 4 % Zinsen p.a. vom 15.2.1990-22.2.1990

8,75 % Zinsen p.a. vom 23.2.1990-19.9.1990

9 % Zinsen p.a. vom 20.9.1990-10.6.1991

8,75 % Zinsen p.a. vom 11.6.1991-3.11.1992

8,40 % Zinsen p.a. vom 4.11.1992-24.11.1992

7,65 % Zinsen p.a. vom 25.11.1992-20.1.1993

7,55 % Zinsen p.a. vom 21.1.1993-10.3.1993

7,20 % Zinsen p.a. vom 11.3.1993-22.3.1993

6,85 % Zinsen p.a. vom 23.3.1993-29.8.1993

6,50 % Zinsen p.a. vom 30.8.1993-20.10.1993

6,15 % Zinsen p.a. vom 21.10.1993-2.12.1993

5,95 % Zinsen p.a. vom 3.12.1993-20.3.1994

6,10 % Zinsen p.a. vom 21.3.1994-23.6.1994

6,50 % Zinsen p.a. vom 24.6.1994-22.9.1994

7 % Zinsen p.a. vom 23.9.1994-23.3.1995

7,25 % Zinsen p.a. vom 24.3.1995-9.5.1995

7 % Zinsen p.a. vom 10.5.1995-31.5.1995

6,75 % Zinsen p.a. vom 1.6.1995-6.8.1995

6,50 % Zinsen p.a. vom 7.8.1995-30.1.1996

6,25 % Zinsen p.a. vom 31.1.1996-14.4.1996

5,75 % Zinsen p.a. vom 15.4.1996-30.10.1996

5 % Zinsen p.a. vom 31.10.1996-29.1.1997

4 % Zinsen p.a. vom 30.1.1997-17.4.1997

4,60 % Zinsen p.a. vom 18.4.1997-11.3.1998

4,30 % Zinsen p.a. vom 12.3.1998-27.8.1998

4 % Zinsen p.a. vom 28.8.1998-27.1.2000

4,50 % Zinsen p.a. vom 28.1.2000-9.4.2000

5 % Zinsen p.a. vom 10.4.2000-4.12.2002

4,50 % Zinsen p.a. vom 5.12.2002-24.6.2003

4 % Zinsen p.a. ab 25.6.2003

zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die klagende Bundesrepublik Deutschland beansprucht von der Beklagten Rückzahlung eines Betrages von 70 Mio. DM (in EUR) nebst Zinsen. Sie stützt ihr Begehren auf die Behauptung, die Beklagte habe den der Auszahlung an sie zugrundeliegenden Beschluss des OLG Stuttgart vom 18.12.1989 (11 W 6/85) sittenwidrig durch Täuschung des Gerichts erschlichen; nachträglich bekannt gewordene Tatsachen belegten nunmehr, dass die Beklagte in diesem wie auch schon in vorangegangenen Verfahren einen unwahren Sachverhalt behauptet und zu dessen Glaubhaftmachung gefälschte Urkunden vorgelegt sowie Zeugen beeinflusst habe.

Demgegenüber hatte die Beklagte im Rahmen einer im Berufungsverfahren erhobenen Widerklage Ersatz ihr entgangener Zinsen für den von der Klägerin nicht ausgezahlten weiteren Teilbetrag für das Kalenderjahr 1998 verlangt.

Der Senat hatte der Berufung der Klägerin nach ergänzender Beweisaufnahme durch Urteil vom 29.4.2004 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die - zugelassene - Revision der Beklagten hat der BGH das Senatsurteil aufgehoben, soweit es über die Klage entschieden hatte, und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen, weil der Senat nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei (Revisionsurteil vom 13.9.2005 - VI ZR 137/04). Im Umfange der Abweisung der Widerklage ist das insoweit nicht angefochtene Senatsurteil vom 29.4.2004 rechtskräftig.

I. Die Beklagte ist die Witwe und Alleinerbin des im ... 1981 verstorbenen A. jun. Dessen Vater A. sen., verstorben am .....

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge