Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsunfall: Mitverschulden durch Nichtbenutzung eines Radweges

 

Leitsatz (amtlich)

Stürzt ein Radfaher auf einer Ölspur auf der Straße, muss er sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn neben der Straße ein separater Radweg verläuft, welcher sich in einem einwandfreiem Zustand befindet.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 9; StVO § 2 Abs. 4 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 15.04.2011)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 15.4.2011 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein weiteres Schmerzensgeld i.H.v. EUR 1.333,33 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.5.2010 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sich, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu einer Quote von 50 % zu ersetzen, die diesem aufgrund des Verkehrsunfalls vom 1.6.2009 entstanden sind und/oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere EUR 603,93 nebst Zinsen i.H.v. 5 %-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.8.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 5/6 und die Beklagten 1/6 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien sind mit weniger als EUR 20.000 beschwert.

 

Tatbestand

I. Von der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird nach den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Berufung der Beklagten ist aus dem im Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet und führt zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils.

1. Die Haftung des Beklagten zu 1) beruht auf § 7 Abs. 1 StVG. Die Beklagte zu 2) haftet nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG.

2. An dem Unfallereignis vom ... Juni 2009 trifft den Kläger ein Mitverschulden (§ 9 StVG), welches der Senat quotenmäßig mit 50 % veranschlagt.

a) Die Darlegungen des landgerichtlichen Urteils zur Erkennbarkeit der Öl- und Bremsflüssigkeitsspur sind gut vertretbar und lassen keine Rechtsverletzung erkennen.

b) Nach den schon im ersten Rechtszug vorgelegten Lichtbildern der Unfallstelle musste das LG aber erkennen, dass neben der Straße ein separater Radweg verlief. Dieser Zustand wurde im Berufungsrechtszug durch eine bei der zuständigen Polizeibehörde erhobene amtliche Auskunft gesichert; auf den Bericht der Polizeistation ... vom 28.9.2011 wird insoweit nebst den eingereichten Lichtbildern verwiesen.

Für den Radweg bestand für den Kläger nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO eine Benutzungspflicht, da er durch entsprechende Bezeichnung (Verkehrszeichen 237) gekennzeichnet war. Die Benutzungspflicht gilt auch für Rennräder (OLG Düsseldorf NZV 1992, 290).

Nach den bei den Akten befindlichen Lichtbildern befand sich der Radweg im Unfallzeitpunkt in einem einwandfreien Zustand; er war für den Kläger nicht unbenutzbar. Dies bestätigt der Kläger selbst, wenn er vorträgt, dass er den Radweg zunächst benutzt hat. Ob nach 50 Metern dessen weitere Benutzung durch auf dem Weg liegende Glasscherben von Getränkeflaschen erschwert wurde - die Beklagten haben dies ausdrücklich bestritten -, kann für die Entscheidung dahinstehen. Denn es war dem Kläger ohne weiteres zumutbar, anschließend wieder auf den Radweg aufzufahren und ihn weiterzubenutzen. Ein Radfahrer, der gleichwohl die Straße nutzt, haftet mit.

Das Mitverschulden des Klägers wurde für das Unfallereignis auch ursächlich. Da Radwege ausschließlich für nicht motorisierte Fahrzeuge vorgesehen sind, ist dort nicht mit einer Öl- oder Bremsflüssigkeitsspur zu rechnen. Der Kläger wäre demnach nicht zu Fall gekommen, wenn er ordnungsgemäß den Radweg benutzt hätte.

3. Die Berechnung des materiellen Schadens wird von der Berufung nicht angegriffen. Nach den Darlegungen des LG beläuft sich der materielle Schaden auf insgesamt EUR 5.658,18. Er setzt sich zusammen aus den Kosten für das Rennrad ( EUR 4.470,00), den Kosten des Sachverständigengutachtens ( EUR 447,38), den Kleidungskosten ( EUR 722,80) und den geltend gemachten Fahrtkosten ( EUR 18,00); eine Kostenpauschale hat der Kläger selbst nicht beansprucht.

Bei einer 50%igen Haftungsquote schuldeten die Beklagten EUR 2.829,09. Nachdem die Beklagte zu 2) insgesamt EUR 3.628,25 (auf der Basis von 2/3) gezahlt hat, besteht ein weiterer Anspruch des Klägers nicht mehr.

4. Dem Kläger steht insgesamt ein Schmerzensgeld i.H.v. EUR 4.000 zu.

Die für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgebenden Faktoren hat das LG in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Demnach erlitt der Kläger bei dem Unfallereignis eine Jochbeinfraktur, eine Augenhöhlenbodenfraktur und eine Oberkieferfraktur. Er befand sich vom ... bis ... Juni...

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