Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung auf nichtiges Patent als Behinderung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 GWB

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Berufung auf ein erstinstanzlich - nicht rechtskräftig - für nichtig erklärtes Patent kann nur in Ausnahmefällen eine unbillige Behinderung i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 GWB darstellen.

2. Die Aufforderung an ein anderes Unternehmen, ein tituliertes Unterlassungsgebot zu Lasten eines dritten Unternehmens zu befolgen, stellt keinen Boykottaufruf i.S.d. § 21 Abs. 1 GWB dar.

 

Normenkette

GWB §§ 18, 19 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 31.07.2019; Aktenzeichen 3-08 O 84/19)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 31.7.2019, 3-08 O 84/19, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Die Verfügungsbeklagte ist Inhaberin eines europäischen Patentes (im Folgenden: Streitpatent), das die Verwendung des Wirkstoffs Pemetrexed in der Form von Pemetrexeddinatrium in einer Kombination mit Vitamin B12 zur Hemmung eines Tumorwachstums schützt. Das Streitpatent wurde mit Urteil des Bundespatentgerichts vom 17.7.2018 für nichtig erklärt. Gegen dieses Urteil ist die Berufung beim BGH anhängig.

Die Verfügungsklägerin ist Herstellerin eines Generikums, das seit dem 1.12.2018 in der Datenbank der Informationsstelle für Arzneispezialitäten IFA GmbH (im Folgenden nur: IFA) gelistet ist. Auf der Grundlage dieser Datenbank wird die sog. Lauer-Taxe erstellt, ein Verzeichnis aller lieferbaren Arzneimittel, in der auch deren Verkehrsfähigkeit ausgewiesen ist. Die IFA-Datenbank und die Lauer-Taxe sind zugleich Datenquelle sämtlicher Arzt- und Apothekensoftwaresysteme; diese beziehen sämtliche relevanten Daten, z.B. die Pharmazentralnummer (PZN) und den Status der Verkehrsfähigkeit, von der IFA. PZN und IFA-Datenbankeintrag sind Grundvoraussetzung für die Marktfähigkeit von Arzneimitteln in Deutschland.

Die Verfügungsbeklagte hat am 14.11.2016 eine einstweilige Verfügung gegen die IFA beim Landgericht München I dahingehend erwirkt, dass der IFA u.a. aufgegeben wurde zu unterlassen,

Produkte enthaltend Pemetrexed (als Pemetrexeddinatrium, Pemetrexeddisäure, Pemetrexedditromethamin), sinnfällig hergerichtet für die Verwendung bei der Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 und Folsäure verabreicht werden soll, wobei Vitamin B12 als intramuskuläre Injektion verabreicht werden soll,ohne Zustimmung der Antragstellerin oder der A GmbH in die IFA-Datenbank als im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erhältliches Arzneimittel aufzunehmen oder zu führen;

(Az. .../16).

Am 18.11.2016 hat die IFA gegenüber der Verfügungsbeklagten eine Abschlusserklärung abgegeben, wonach sie die einstweilige Verfügung als endgültige und zwischen den Parteien materiellrechtlich verbindliche Regelung anerkennt und auf alle Rechtsmittel, "insbesondere die Rechtsmittel der Fristsetzung zur Hauptsacheklage (§ 926 ZPO), die Aufhebung wegen veränderter Umstände (§ 927 ZPO), sowie darauf, die Unrichtigkeit der einstweiligen Verfügung durch Feststellungsklage, negative Feststellungsklage, Inzident-Feststellungsklage oder Einwendung in einem Rechtsstreit geltend zu machen, verzichtet". Diese Abschlusserklärung wurde von der Verfügungsbeklagten angenommen.

Nach Erlass des Nichtigkeitsurteils des Bundespatentgerichts hat die IFA einen Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO gestellt. Das Landgericht München I hat dem Antrag mit Urteil vom 5.4.2019 mit der Begründung stattgegeben, der Verzicht auf die Rechte aus § 927 ZPO in der Abschlusserklärung sei wegen Verstoßes gegen die §§ 18, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB unwirksam. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten hat das OLG Stadt1 diese Entscheidung mit Urteil vom 11.7.2019 (Az. .../19 Kart) aufgehoben; dabei verneinte es insbesondere eine Kartellrechtswidrigkeit der Abschlusserklärung.

Bereits im November 2018 hatte das Landgericht München Ieinen Antrag der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen, mit dem sie der Verfügungsklägerin die Inverkehrbringen ihrer permetrexedhaltigen Arzneimittel im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen lassen wollte (Az. .../18, Bl. 66ff. d.A.). Entsprechende Anträge der Verfügungsklägerin gegen andere Generikahersteller hatten ebenfalls keinen Erfolg.

Mit Schreiben vom 11.7.2019 forderte die Verfügungsbeklagte die IFA auf, im Hinblick auf die vom OLG Stadt1 bestätigte einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 14.11.2016 entsprechende Anträge der Mitbewerber der Verfügungsbeklagten auf Neuaufnahme in die Datenbank zurückzuweisen und das Führen bestehender Auflistungen als erhältliche Arzneimittel unverzüglich einzustellen (Bl. 83 d.A.). Die IFA setzte daraufhin mit Wirkung vom 1.8.2019 die entsprechenden Produkte u.a. der Verfügungsklägerin auf den Status "NV" (= nicht verkehrsf...

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