Entscheidungsstichwort (Thema)

PKV-Zahnversicherung - Vertragsanpassung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage nach Anomalien in Bezug auf Zahn-/Kieferfehlstellungen ist unklar. Sie verlangt dem Versicherungsnehmer eine Wertung ab. Die Nichtangabe eine Backenzahnengstandes begründet keine Anzeigeverletzung.

 

Normenkette

VVG § 19

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 07.02.2020; Aktenzeichen 2 O 166/19)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 07.02.2020, Az 2 O 166/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 310,43 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.03.2018 sowie außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 93,42 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2019 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Erstattung bereits entstandener Aufwendungen einer kieferorthopädischen Behandlung sowie um die Feststellung, dass zukünftig entstehende Behandlungskosten nicht von der Beklagten getragen werden müssen.

Der Kläger beantragte mit Antrag vom 31.03.2017 bei der Beklagten den Abschluss einer privaten Krankheitskosten- und Pflegeversicherung. Versichert werden sollte dessen damals neunjährige Tochter A.

In dem Versicherungsantrag der Beklagten waren unter anderem folgende Gesundheitsfragen in Bezug auf die zu versichernde Tochter des Klägers enthalten:

"1. Bestehen und/oder bestanden in den letzten 3 Jahren Beschwerden, Krankheiten, Anomalien (auch Implantate [z.B. Brustimplantate] und/oder Unfallfolgen (ggfs. Kostenträger nennen), die nicht ärztlich und/oder von Angehörigen anderer Heilberufe (z.B. Zahnarzt, Heilpraktiker) behandelt wurden?

2. Wurden in den letzten drei Jahren Behandlungen/Untersuchungen von Ärzten und/oder Angehörigen anderer Heilberufe (z.B. Zahnarzt, Heilpraktiker) durchgeführt und/oder sonstige Gesundheitsstörungen/Anomalien festgestellt? (Auch solche, die der Feststellung einer frischen oder abgelaufenen Virusinfektion (z.B. Hepatitis, HIV) dienen und/oder die zu einem krankhaften Befund (z.B. Rheuma, Allergien, Asthma) führten)?"

Wegen der Einzelheiten, des weiteren Inhalts sowie der Ausgestaltung des Antragsformulars wird auf die Anlage B2 (Bl. 67 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantwortete sämtliche Antragsfragen mit "nein".

Die Beklagte nahm den Antrag an und übersandte dem Kläger den Versicherungsschein zu Versicherungsnummer .... Versicherungsbeginn war der 01.04.2017, die Beklagte verzichtete auf die bedingungsgemäße Wartezeit. Vereinbart war unter anderem der Tarif KVT1000, der unter anderem die Erstattung von Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen zu 80 % umfasst. Zahntechnische Laborarbeiten und Materialien sollten hierbei erstattungsfähig sein, soweit diese im Preis- und Leistungsverzeichnis des Versicherers aufgeführt sind und im Rahmen der dort genannten Höchstbeträge berechnet werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein (Bl. 8 ff d.A.), den Nachtrag zum Versicherungsschein vom 12.05.2017 (Bl. 16 d.A.) sowie die Verbraucherinformationen nebst Allgemeinen Versicherungs- und Tarifbedingungen (Anlage B1, Bl. 62 ff d.A., sowie Anlagenkonvolut Bl. 177 ff d.A.) Bezug genommen.

Die versicherte Tochter des Klägers hatte sich seit jedenfalls 2011 in regelmäßiger zahnärztlicher Kontrolle und Behandlung bei der Zahnarztpraxis für Kinderzahnheilkunde B und C befunden. In der hierüber erstellten Behandlungsdokumentation der behandelnden Ärzte wurde wiederkehrend ein "Engstand im Molarenbereich" dokumentiert, über den der Kläger auch aufgeklärt wurde. Die Tochter des Klägers erlitt in der ersten Sommerferienwoche 2017 einen Unfall, bei dem sie sich einen Zahn abbrach, der infolgedessen rekonstruiert werden musste. Ausweislich der Behandlungsdokumentation der Zahnärztinnen B/C erfolgte am 05.07.2017 eine Behandlung des Zahnes 22 aufgrund "Unfall/Trauma". Es wurde hierbei vermerkt "KFO beh. notwendig". Wegen der Einzelheiten der durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen wird auf die Behandlungsdokumentation Bezug genommen (Anlagenkonvolut B3, Bl. 73 ff d.A.).

Die Tochter des Klägers begab sich in kieferorthopädische Behandlung. Die behandelnde Kieferorthopädin D erstellte unter dem Datum des 27.11.2017 einen Heilbehandlungs- und Kostenplan, den der Kläger bei der Beklagten einreichte. Die Kieferorthopädin diagnostizierte hierin unter anderem "(...) vergrößerter Overbite (+ 5 mm), retroklinierte Front im OK, proklinierte Front im UK, Platzüberschuss im OK, Platzmangel im UK, Scherenbiss Zahn 24, diverse Rotationen und Kippungen", d...

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