Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Rückforderung des Invaliditätsversicherers bei fehlendem Vorbehalt der Neubemessung des Fußwertes

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Entscheidung vom 18.10.2016; Aktenzeichen 1 O 1310/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18.10.2016 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hanau abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zur Vollstreckung gelangenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht mit ihrer Klage die Rückzahlung einer angeblich überzahlten Invaliditätsentschädigung geltend, die sie an den Beklagten wegen einer unfallbedingten Verletzung am linken Fuß aufgrund der bei ihr unterhaltenen privaten Unfallversicherung geleistet hat.

Der privaten Unfallversicherung lagen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen, Stand 1994, zugrunde (im Weiteren: AUB). In § 11 Abs. 4 AUB war vereinbart, dass die Parteien berechtigt sind, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach Eintritt des Unfalls, erneut ärztlich bemessen zu lassen. Dieses Recht muss seitens des Versicherers mit Abgabe seiner Erklärung zur Erstfestsetzung gegenüber dem Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats ab Zugang der Erklärung zur Erstfestsetzung ausgeübt werden.

Die vereinbarte Versicherungssumme betrug 835.500,- EUR.

Der Beklagte erlitt am XX.XX.2011 einen Unfall - Sturz von der Leiter - und zog sich dabei eine Verletzung am linken Fuß in Form einer leicht verschobenen Fersenbeinfragmentfraktur mit mehrfacher Gelenkbeteiligung zu, die zu einer Invalidität von mindestens 3/10 Fußwert führte.

Der Bruch wurde operativ mit gutem Ergebnis versorgt, verblieben sind jedoch schmerzhafte Bewegungseinschränkungen, Taubheitsgefühle und Schwellungen im Bereich der Verletzung. In welchem Umfang diese Beschwerden bestehen und ob darüber hinaus einschießende Schmerzen aufgrund eines bei der Operation beschädigten Nervs sowie narbenbedingte Bewegungseinschränkungen an mehreren Zehen vorliegen, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Beklagte hatte den Unfall der Klägerin mit schriftlicher Unfallanzeige vom XX.XX.2011 angezeigt.

Die Klägerin trat daraufhin in die Leistungsprüfung ein und beauftragte den Sachverständigen A mit der Erstellung eines unfallchirurgischen Gutachtens. In seinem unter dem 28.06.2012 erstellten Gutachten gelangte dieser zu dem Ergebnis, dass eine Beeinträchtigung von 4/10 Fußwert in Ansatz zu bringen sei, wobei er die vorhandene geringfügige sensible Störung berücksichtigt hat (4/10: Bewegungseinschränkungen oberes und unteres Sprunggelenk, unteres mit Schwellneigung sowie leichte Sensibilitätsstörung).

Die Klägerin nahm eine Regulierung auf dieser Basis vor und zahlte an den Beklagten 133.680,- EUR. Der Beklagte unterhielt außerdem eine weitere private Unfallversicherung bei der X-Versicherung. Diese hat den Versicherungsfall ebenfalls auf der Grundlage eines Fußwertes von 4/10 reguliert und später im Rahmen der auch dort vorgenommenen Überprüfung des Invaliditätsgrades auf eine nachträgliche Rückforderung überzahlter Leistungen verzichtet.

Die Klägerin wies in ihrem Schreiben vom 10.07.2012 darauf hin, dass der Beklagte berechtigt sei, den Grad der Invalidität jährlich, längstens drei Jahre nach dem Unfall, erneut ärztlich bemessen zu lassen. Sofern er eine Neufestsetzung wünsche, werde die Zahlung der Klägerin unter dem Vorbehalt vollständiger oder teilweiser Rückzahlung geleistet, wenn die Neubemessung den gezahlten Betrag nicht mehr oder nur zum Teil rechtfertige. Das Recht, selber eine Neubemessung zu verlangen, hat sich die Klägerin nicht vorbehalten.

Der Beklagte fand den Fußwert zu niedrig angesetzt und verlangte mit Schreiben vom 11.04.2013 eine Nachbegutachtung. Die Klägerin veranlasste daraufhin eine erneute Begutachtung durch den Sachverständigen A. Auch in dem weiteren Gutachten vom 03.06.2013 kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Fußwert 4/10 betrage; eine wesentliche Verbesserung oder Verschlechterung des Zustandes sei nicht zu erwarten.

Die Klägerin teilte dem Beklagten das Ergebnis mit Schreiben vom 18.06.2013 mit und übersandte das Gutachten. Außerdem erklärte sie, es verbleibe bei ihrer Invaliditätsabrechnung auf der Basis einer dauernd verminderten Gebrauchsfähigkeit von 4/10.

Der Beklagte war mit dem Gutachten des A nicht einverstanden und wünschte mit Schreiben vom 24.06.2013 eine erneute Begutachtung, wobei er den ärztlichen Bericht des Unfallchirurgen B vom 19.07.2013 vorlegte.

Die Klägerin bat A um ergänzende Stellungnahme. A blieb in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 11.09.2013 bei seinem Ergebnis (4/10: Bewegungseinschränkung oberes Sprunggelenk 1/10, unteres Sprunggelenk 2/10 bis 3/10).

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