Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2/5 O 512/66)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.800,– DM abzuwenden.

 

Tatbestand

Die Klägerin ging am 14.1.1964 kurz nach 16.00 Uhr in Frankfurt/Main auf dem Bürgersteig der Stephanstraße vor der Liebfrauenschule in Richtung Alte Gasse. Infolge Glättebildung kam die Klägerin vor dem Schuleingang zu Fall und zog sich einen Bruch des linken Oberschenkels zu. Der Bürgersteig ist gepflastert, jedoch nicht in ganzer Breite. Zum Schulgebäude hin ist er unbefestigt.

Der Beklagte war damals Hausmeister in der Liebfrauenschule und beauftragt, das Streuen vor der Schule bei Glättebildung zu besorgen.

Durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt/Main – 92 Ds 90/64 – wurde der Beklagte wegen dieses Vorfalls der fahrlässigen Körperverletzung (Vernachlässigung der Streupflicht) für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 150,– DM, ersatzweise 15 Tagen Gefängnis verurteilt. Aufgrund einer auf das Strafmaß beschränkten Berufung des Beklagten wurde die Strafe durch Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main – 59 Ns 86/64 – vom 17.12.1964 auf 50,– DM, ersatzweise 5 Tage Haft herabgesetzt.

Die Klägerin beziffert den ihr durch den Unfall entstandenen Schaden einschließlich Schmerzensgeld auf 15.074,40 DM. Sie verlangt diesen Betrag vom Beklagten und behauptet, der Bürgersteig vor der Liebfrauenschule habe sich im Zeitpunkt des Unfalls in unbestreutem Zustand befunden. Der auf dem Bürgersteig liegende Schnee habe sich infolge Regens, der mittags eingesetzt habe, in eine wasserdurchsetzte glatte Schnee- und Eisschicht verwandelt. Mit Rücksicht auf die herrschenden Witterungsverhältnisse sei ein einmaliges Streuen morgens um 6,30 Uhr und ein eventuelles nicht nachgewiesenes Nachstreuen gegen 12.00 Uhr nicht ausreichend gewesen. In den Nachmittagsstunden habe sich infolge fallender Temperaturen die wasserdurchtränkte Schicht zu härten begonnen. Vor dem Nachbargrundstück der Liebfrauenschule in der Stephanstraße sei es nicht zu Glättebildung gekommen, weil der Bürgersteig dort ordnungsgemäß von Schnee und Eis geräumt gewesen sei.

Vor dem Landgericht hat die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 15.074,40 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 1.1.1965 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, seiner Streupflicht nachgekommen zu sein. Der gepflasterte Teil des Bürgersteigs sei von ihm um 6,30 Uhr und 11,30 Uhr mit Streumitteln entglättet worden. Es sei ein ausreichend breiter abgestreuter Gehweg vorhanden gewesen. Mit Rücksicht auf die herrschenden Witterungsverhältnisse (wiederholter Nieselregen) sei im übrigen ein kausaler Zusammenhang zwischen einer angeblichen Vernachlässigung der Streupflicht und dem Unfall nicht beweisbar, denn bei Nieselregen um den Gefrierpunkt sei Glättebildung überhaupt nicht zu vermeiden. Hinzu komme, daß der Beklagte am Nachmittag sich nochmals davon überzeugt habe, ob er seiner Verkehrssicherungspflicht, so gut dies den Umständen nach möglich gewesen sei, Genüge getan habe. Vorsorglich müsse geltend gemacht werden, daß im Falle einer Verschuldensbejahung ein überwiegendes mitwirkendes Verschulden der Klägerin vorliege. Die am 28.3.1899 geborene Klägerin habe an beiden Armen Taschen und einen Schirm getragen. Die vor ihr gehenden Personen seien ihr offenbar nicht schnell genug gegangen, sie habe diese überholen wollen und sei dabei auf den nicht bestreuten Wegteil gekommen.

Das Landgericht hat Beweis darüber erhoben, in welchem Zustand sich der Bürgersteig vor der Liebfrauenschule im Unfallzeitpunkt befunden hat, durch Vernehmung der Zeugen Kemmer und Grüll. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 60 verwiesen. Außerdem wurden die Akten 318 C 1086/66 und 92 Ds 90/64 des Amtsgerichts Frankfurt/Main beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Das Gericht erster Instanz hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es stützt sich dabei auf § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 21 der Polizeiverordnung über die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung auf und an den Straßen der Stadt Frankfurt/Main vom 20. Juli 1954 (Amtl. Bekanntmachungsblatt vom 31.7.1954 Nr. 31 S. 189). Dem Beklagten habe die Verpflichtung obgelegen, die Gehwege von Schnee und Eis freizuhalten und zwischen 7.00 Uhr und 22.00 Uhr mit Sand oder Asche oder anderen abstumpfenden Stoffen so zu bestreuen, daß aus der Glätte keine Gefahr für die Benutzer entstehen konnte. Die Klägerin sei vor der Schule infolge Glättebildung zu Fall gekommen. Dieser unstreitige Sachverhalt begründe „die tatsächliche Folgerung, daß die Verletzung der Streupflicht auf einem Verschulden des Beklagten beruhe”. Dem Beklagten obliege damit der Widerlegungsbeweis, „daß er dasjenige getan habe, was geeignet war, die A...

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