Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch aus Betriebsschließungsversicherung wegen Schließung eines Lokals aufgrund Corona-Pandemie

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 24.11.2020; Aktenzeichen 9 O 662/20)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 24.11.2020 (9 O 662/20) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Es wird der Klägerin gestattet, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe geleistet hat.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung in Anspruch.

Die Klägerin betreibt ein Steakhaus in Stadt1. Seit dem 22.03.2017 ist sie bei der Beklagten unter der Versicherungsscheinnummer ... mit einer Ertragsausfall-/BUVersicherung, welche auch eine Betriebsschließungsversicherung beinhaltet, versichert. Die vereinbarte Haftzeit für Betriebsschließung beträgt 30 Tage, die Tagesentschädigung für Schließungsschäden beläuft sich auf 432,- Euro. Der Versicherung liegen die Versicherungsbedingungen der Beklagten zu Grunde (im Folgenden auch MEAB 2014, Anlage K 6, Bl. 117 ff.). Darin ist unter Teil C (Bl. 138 d.A.) insbesondere Folgendes geregelt:

"§ 1 Gegenstand der Versicherung

1. Gegenstand der Deckung

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt; (...)

2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden in den §§ 6 und 7 lfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

a) Krankheiten (...)

b) Krankheitserreger (...)"

Die Versicherungsbedingungen nennen unter Ziff. 2 a) und b) zahlreiche Krankheiten und Erreger, aber nicht das sogenannte Coronavirus (COVID-19), welches sich insbesondere seit dem Frühjahr 2020 weltweit und in Deutschland massiv ausgebreitet hat.

Am 17.03.2020 erließ die Hessische Landesregierung auf Grundlage des § 32 IfSG die Vierte Verordnung zur Bekämpfung des Coronavirus, welche unter anderem regelte, dass Gaststätten unter Beachtung bestimmter in der Verordnung benannter Hygieneregeln Speisen und Getränke nur zur Abholung oder Lieferung anbieten durften. Vom 21.03.2020 bis zum 15.05.2020 stellte die Klägerin ihren Betrieb ein.

Die Klägerin hat erstinstanzlich von der Beklagten Zahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von 12.960,- EUR nebst Zinsen und vorprozessualen Rechtsanwaltskosten verlangt. Sie hat hierzu die Ansicht vertreten, für den Zeitraum vom 21.03.2020 bis 15.05.2020 liege bei der Klägerin ein versichertes Ereignis im Rahmen der Betriebsschließungsversicherung vor. Der Betrieb der Klägerin sei gemäß § 28 Abs. 1 IfSG geschlossen worden. Für den Betrieb eines Steakhauses sei es aufgrund der besonderen Anforderungen an die Garzeiten und Serviertemperatur der Speisen unzumutbar, diese nur zur Ablieferung und Abholung anzubieten. Die Versicherungsbedingungen seien so auszulegen, dass die Schließung aufgrund eines meldepflichtigen Krankheitserregers im Sinne der Versicherungsbedingungen erfolgt sei, weil das SARS-CoV2-Virus auch ohne ausdrückliche Nennung in § 1 Ziff. 2 MEAB ein meldepflichtiger Krankheitserreger im Sinne der Versicherungsbedingungen sei. Die dortige Aufzählung sei nicht abschließend zu verstehen, sondern als dynamische Verweisung auf die §§ 6, 7 IfSG.

Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Aufzählung von Krankheiten in § 1 Ziff. 2 der Versicherungsbedingungen sei abschließend. Zudem sei kein Versicherungsfall gegeben, weil keine vollständige Betriebsschließung angeordnet worden sei. Die Rechtsverordnung sei zudem unwirksam, weil sie als Ermächtigungsgrundlage § 28 Abs. 1 IfSG anstatt § 18 IfSG nenne. Die Beklagte hat den Anspruch zudem aus verschiedenen Aspekten auch der Höhe nach bestritten.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, abgewiesen. Seiner Auffassung nach habe die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung, weil kein Versicherungsfall vorgelegen habe. Das sogenannte Coronavirus SARS-COV2 bzw. die dadurch ausgelöste sogenannte Corona-Krankheit COVID-19 z...

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