Leitsatz (amtlich)

Die ein Wettbewerbsverbot in Kraft setzende Kraft eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter führt nicht dazu, dass der Anspruch auf Karenzentschädigung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zur Masseforderung erstarkt.

 

Normenkette

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 55 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.06.2005; Aktenzeichen 2-23 O 408/04)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 08.10.2009; Aktenzeichen IX ZR 61/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2.6.2005 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder ihre Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der A. GmbH, für die der Kläger früher als Geschäftsführer tätig war. Er nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Karenzentschädigung und von Tantiemen in Anspruch. Soweit die Klage auf Ausstellung einer dem Finanzamt vorzulegenden Bestätigung gerichtet war, ist sie in der Berufungsverhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

Zur Darstellung der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

Das LG hat der Klage nur bezüglich der Karenzentschädigung stattgegeben. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt und diese mit Rechtsausführungen begründet. Der Kläger begehrt weiter eine Verurteilung zur Zahlung der Tantiemen, während die Beklagte eine vollständige Klageabweisung erreichen will.

Der Kläger beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und

1. dieses im ersten Absatz des Tenors dahingehend klarstellend neu zu fassen, dass Zinsen aus dem Betrag von jeweils 15.267,69 EUR i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2002 und dem 1.1.2003 an den Kläger zu zahlen sind,

2. die Beklagte zur Zahlung von 27.162,38 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.2.2003 zu verurteilen, außerdem, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

II. Beide Rechtsmittel sind zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet, die der Beklagten begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Masseanspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung, insb. nicht aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Allenfalls aus § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO hätte sich ein Masseanspruch ergeben können; die Beklagte hat aber nicht die Erfüllung der Wettbewerbsabrede gewählt.

a) § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist entgegen der Rechtsansicht des LG nicht anwendbar.

(1) Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO werden nach Insolvenzeröffnung begründet. Darin liegt der Unterschied zu den Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, die auf gegenseitigen Verträgen beruhen, die vor Insolvenzeröffnung vom Schuldner abgeschlossen waren. Masseverbindlichkeiten nach Nr. 1 können nur durch Geschäftsführungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters entstehen, die darauf abzielen, der Insolvenzmasse etwas zuzuführen; davon abzugrenzen sind Handlungen des Insolvenzverwalters, die allein der Abwicklung dem Grunde nach bei Verfahrenseröffnung bestehender Rechtsbeziehungen dienen (vgl. Hefermehl in MünchKomm/InsO, § 55 Rz. 17 f.).

(2) Die Kündigung des Anstellungsvertrages mit dem Kläger diente allein der Abwicklung dieses bereits von der Schuldnerin begründeten Rechtsverhältnisses. Auch die Wettbewerbsabrede hatten der Kläger und die Schuldnerin getroffen, wenn auch dergestalt, dass der Entschädigungsanspruch von der Beendigung des Dienstverhältnisses abhängen sollte. Die Kündigung war nicht dazu geeignet, der Masse etwas zuzuführen.

b) Der Anspruch auf Karenzentschädigung ist auch nicht gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Masseforderung zu qualifizieren.

(1) Wettbewerbsabreden sind nach allgemeiner Meinung als gegenseitige Verträge i.S.d. § 103 InsO anzusehen; der Verzicht auf Wettbewerbshandlungen und die Karenzentschädigung sind synallagmatisch miteinander verknüpft (vgl. Hefermehl in MünchKomm/InsO, § 55 Rz. 192; Kreft in MünchKomm/InsO, § 103 Rz. 80; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12. Aufl., § 103 Rz. 33; ArbG Lingen v. 17.11.1983 - 1 Ca 709/83, ZIP 1984, 92 [93]; LAG Hamm DB 1974, 877). Die § 103 InsO vorgehende Spezialregelung der § 108, 113 InsO für Dienstverhältnisse ist auf die Wettbewerbsabrede nicht anzuwenden, die insoweit ungeachtet ihrer Verknüpfung mit einem Dienst- oder Arbeitsvertrag gesondert zu beurteilen ist.

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