Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerb von Bäumen in Brasilien

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.08.2019; Aktenzeichen 2-04 O 214/18)

 

Tenor

Gemäß Beschluss vom 3.5.2022 hat der BGH angekündigt, die Unterbrechung des Verfahrens nach § 352 Abs. 1 InsO festzustellen.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.08.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung von drei Vertragsverhältnissen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Bäumen in Brasilien.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung der von der Klägerin investierten Beträge Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an den Bäumen verurteilt. Zur Begründung hat der Erstrichter im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe die streitgegenständlichen Verträge wirksam widerrufen. Auf die Vertragsverhältnisse sei materielles deutsches Recht anwendbar. Die Verträge beträfen auf Käuferseite die Klägerin als Verbraucherin und auf Verkäuferseite die Beklagte als Unternehmerin im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO. Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO sei nicht nach den Ausnahmevorschriften in Art. 6 Abs. 4 lit. a und lit. c Rom-I-VO ausgeschlossen. Auch die in Ziffer 24.1 des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrags vorgesehene Geltung schweizerischen Rechts führe nicht zur Abbedingung des nach Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO anzuwendenden deutschen Rechts. Die Anwendung schweizerischen materiellen Rechts hätte zur Folge, dass die Klägerin der Widerrufsrechte nach §§ 312 ff. BGB verlustig ginge. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO dürfe die Rechtswahl aber nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen werde, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt werde, die nach dem Recht, das ohne erfolgte Rechtwahl nach Absatz 1 anzuwenden wäre, zwingend wären. Bei den Vorschriften des BGB zum Widerrufsrecht handele es sich um derartige zwingende Bestimmungen. Nach Maßgabe des deutschen materiellen Rechts habe der Klägerin ein Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge gemäß §§ 355, 312b, 312d Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. zugestanden. Dieses habe sie mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2018 wirksam ausgeübt. Der Widerruf sei nicht verfristet erklärt worden. Die Widerrufsfrist habe noch nicht zu laufen begonnen, weil die Klägerin nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sei. Das Widerrufsrecht sei auch nicht nach Art. 229 § 32 Abs. 2 EGBGB erloschen. Die genannte Vorschrift sei auf Verträge über Finanzdienstleistungen nicht anwendbar. Um solche handele es sich indes bei den streitgegenständlichen Verträgen. Nach der heranzuziehenden Definition des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. seien als Finanzdienstleistungen u.a. "Dienstleistungen im Zusammenhang mit ... einer Geldanlage" zu sehen. Der vereinbarte Kauf von Bäumen auf brasilianischen Plantagen stelle sich als eine derartige Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Geldanlage dar. Soweit der Begriff der Geldanlage nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht eng auszulegen sei und ausschließlich Finanzinstrumente, namentlich Wertpapiere, umfasse, überzeuge dies für den vorliegenden Fall nicht. Denn zum einen habe die Beklagte selbst den Baumerwerb als Investitionsmöglichkeit für Privatanleger beworben und die Investitionsdauer mit fünf bis 20 Jahren angegeben. Zum anderen ähnele das streitgegenständliche Konzept des "Baumkaufs mit Servicevertrag" bei wirtschaftlicher Betrachtung eher der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds als dem Kauf eines individuell gehaltenen Vermögensgegenstands. Mangels eines Marktes zum Weiterverkauf seien die Bäume dem Wirtschaftsverkehr entzogen, so dass sich ihr Erwerb als langjährig bindende Investition in Rohstoffe und damit als Geldanlage darstelle.

Gegen das ihr am 02.09.2019 zugestellte Urteil des Landgerichts wendet sich die Beklagte mit ihrer am 26.09.2019 eingelegten und - nach entsprechender Fristverlängerung - am 04.12.2019 begründeten Berufung.

Die Beklagte meint, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, die vereinbarte Geltung materiellen schweizerischen Rechts entfalte keine Wirkung, da Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO entgegenstehe. Es lägen die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 4 Rom-I-VO vor, so dass die Regelungen in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO keine Anwendu...

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