Entscheidungsstichwort (Thema)

Schutzumfang eines für Küchenmesser eingetragenen Designs ("Küchenmesser")

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Gestaltungsmerkmal eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist nach der Entscheidung "Zentrierstifte" des EUGH (GRUR 2018, 612 [EuGH 08.03.2018 - C-395/16]) jedenfalls dann nicht ausschließlich durch die technische Funktion bestimmt, wenn es einen gewissen ästhetischen Überschuss enthält.

2. Der Grad der Gestaltungsfreiheit als Kriterium für die Anforderungen an die Eigenart (Art. 6 II GGV) wie für den Schutzumfang (Art. 10 II GGV) hängt von den Besonderheiten der jeweiligen Produktkategorie ab; dies gilt auch nach der Entscheidung "Duschabflussrinne" des EUGH (GRUR 2017, 1244).

3. Auf dem Gebiet der Küchenmesser ist von einem mittleren Grad an Gestaltungsfreiheit auszugehen. Der sich daraus grundsätzlich ergebende durchschnittliche Schutzumfang erweitert sich jedoch, wenn das eingetragene Muster vom vorbekannten Formenschatz einen größeren Abstand hält, als es zur Begründung der Eigenart erforderlich wäre. Von einem in diesem Sinn erweiterten Schutzbereich ist auszugehen, wenn der Kläger behauptet, das Klagemuster löse sich völlig von vorbekannten Formen, und der Beklagte keinen Vortrag zum vorbekannten Formenschatz hält.

4. Bei der Prüfung, ob eine angegriffene Ausführungsform in den Schutzumfang eines eingetragenen Musters fällt, sind die übereinstimmenden und abweichenden Merkmale hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Gesamteindruck zu gewichten. Von dem in Ziffer 3. dargestellten erweiterten Schutzumfang eines geschützten Küchenmessers kann auch ein Messer erfasst sein, welches die - auffälligen - Merkmale des Messergriffs weitgehend übernimmt, während sich die - jeweils unauffällig gestalteten - Klingen voneinander deutlich unterscheiden.

 

Normenkette

GGV Art. 8, 10, 83, 98

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.11.2016; Aktenzeichen 3-8 O 70/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 16.11.2016, Az. 3-08 O 70/16 teilweise abgeändert:

1.) Die Beklagte wird verurteilt,

a) es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Gebiet der Europäischen Union Messer mit dem aus Anlage K 15 ersichtlichen Design

mit folgenden Merkmalen:

diagonal abgeschrägtes Ende des Messergriffs;

hervortretende Kanten auf beiden Seiten des Messergriffs;

Unterteilung beider Seiten des Messergriffs in verschiedene geometrische Teilflächen;

herzustellen, zu importieren, zu besitzen, anzubieten, zu bewerben, zu verkaufen, zu vertreiben, insbesondere auch über einen Onlineshop oder sonst in den Verkehr zu bringen;

b) die in Ziffer 1 genannten Messer, die sich noch in ihrem mittelbaren oder unmittelbaren Besitz oder ihrem Eigentum befinden, auf eigene Kosten unter Erbringung eines Nachweises zu vernichten;

c) jegliche Abbildungen der in Ziffer 1 genannten Messer bei ihrem Onlineshop unter www.(...).de, in Katalogen, Printmaterial etc. dauerhaft zu entfernen;

d) unter Vorlage von Belegen Auskunft zu erteilen über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1, insbesondere über die Herkunft und Vertriebswege der unter Ziffer 1 beschriebenen Messer unter Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer und Auftraggeber, etwaiger Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer, sowie über die Menge der hergestellten oder erhaltenen, ausgelieferten und von dritter Seite bestellten Messer;

e) über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 Rechnung zu legen unter detaillierter Aufschlüsselung aller mit den Messern erzielten Umsätze und Gewinne;

2.) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die dieser aus den Verletzungshandlungen gemäß vorstehender Ziffer 1.1. bereits entstanden sind und/oder noch entstehen werden.

3.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 2.948,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19. September 2015 zu zahlen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 270.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. In Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung wir der Streitwert für beide Instanzen auf 250.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Ansprüche aus Designrecht sowie hilfsweise aus ergänzendem Leistungsschutz hinsichtlich eines Küchenmessers geltend.

Sie ist Inhaberin des Gemeinschaftsgeschmacksmusters ... (Anlage K 3), für das neben fünf weiteren folgende Abbildungen hinterlegt sind:

((Abbildung))

((Abbildung)...

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