Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.08.2018; Aktenzeichen 2-27 O 462/16)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.02.2021; Aktenzeichen XII ZR 29/20)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. August 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 2-27 O 462/16 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer, die diese jeweils selbst zu tragen haben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 193.281,87 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte im Regresswege wegen nicht vertragsgerechter Überlassung von Schienentrassen in Anspruch.

Die Klägerin erbringt im Auftrag der Streithelfer öffentlichen Schienenpersonennahverkehr. Sie hat sich diesen gegenüber zur Einhaltung fester Fahrpläne verpflichtet. Für den streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2013 (Fahrplanjahr 2013 vom 9. Dezember 2012 bis 15. Dezember 2013 und etwas darüber hinaus) macht die Klägerin einen Betrag von 193.281,87 EUR geltend, um den ihre Vergütung von den Streithelfern wegen Nichteinhaltung der Fahrpläne gekürzt wurde.

Die Klägerin bestellte bei der Beklagten die zur Realisierung des Fahrplans notwendigen Trassen. Vertragsgrundlage zwischen den Parteien ist der sog. Grundsatz-Infrastrukturnutzungsvertrag (= Grundsatz-INV, Anlage K 7) mit einer Laufzeit vom 1. April 2010 bis 31. Dezember 2022. In diesen Vertrag einbezogen sind die Schienennetz-Nutzungsbedingungen (SNB). Gemäß Ziffer 2.3.2. der SNB 2013 werden die einzelnen Trassen, die die Beklagte schuldet, auf der Basis sog. Einzelnutzungsverträge vereinbart.

Die Klägerin stützt ihre Klage auf Pflichtverletzungen der Beklagten aus den Einzelnutzungsverträgen mit dem Vorbringen, die Beklagte schulde die Bereitstellung der Schienenwege auf eine Weise, dass eine fahrplanmäßige Fahrt ermöglicht werde.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ein Anspruch gegen die Beklagte bestehe aus § 280 Abs. 1 BGB. Das erforderliche Schuldverhältnis sei der jeweilige Einzelnutzungsvertrag, die genauen Ankunfts- und Abfahrtszeiten an jedem einzelnen Bahnhof der Trassen seien zentraler Gegenstand des über jede Trasse geschlossenen Einzelnutzungsvertrages (z. B. Anlage 9). Auch die SNB ordneten die Einzelnutzungsverträge als rechtsverbindliche Verträge an.

Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe die Zugtrassen nicht durchgehend in einer Art und Weise zur Verfügung gestellt, die der Klägerin eine fahrplanmäßige und damit auch pünktliche Fahrt ermögliche. Die Verspätungen, im Wesentlichen Folgeverspätungen und hochgeschaukelte Verspätungen, seien Folgen entweder der schlechten Planungsleistungen im Vorfeld der Fahrplanerstellung oder der Dispositionsleistungen während der Durchführung der Fahrten. Herauszurechnen seien lediglich, wie auch erfolgt sei, die Verspätungen aus der Sphäre anderer Infrastrukturbetreiber oder solche, die externe Ursachen hätten, weil es insoweit an einem Verschulden der Beklagten fehle. Die ihr von den Streithelfern abgezogenen Vergütungen bzw. Pönalen stellten, wie sie geltend gemacht hat, einen ersatzfähigen Schaden dar. Auch fehle es insoweit nicht an einem Zurechnungszusammenhang.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 193.281,87 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht:

Den Parteien sei bei Abschluss der Infrastruktur- bzw. Einzelnutzungsverträge bewusst gewesen, dass im Eisenbahnverkehr aus technischen Gründen regelmäßig mit Verspätungen zu rechnen sei. Selbst beim SPNV werde - so hat sie behauptet - nur eine Pünktlichkeitsquote von 94,8 % erreicht. Deshalb stelle es quasi eine "ungesicherte Wette" dar, ein Pünktlichkeitsversprechen abzugeben, wie es die Klägerin gegenüber ihren Auftraggebern, den Streithelfern, getan habe. Dass die sog. Pönalen nicht verhandelbar gewesen seien, bestreite sie. Im Übrigen - so hat sie behauptet - lägen nur 9 % der Verspätungsminuten in der Infrastruktur begründet.

Die Klägerin verkenne das Anreizsystem der SNB. Dieses enthalte keine Pünktlichkeitsgarantie, sondern diene lediglich einer Balance zwischen den Verantwortungsbereichen der Schienenwegbetreiber und der Eisenbahnverkehrsunternehmen bei der Zuordnung von Verspätungsursachen. Der Vortrag der Klägerin in Bezug auf die Herleitung der Verspätungen sei fehlerhaft und daher unschlüssig, die Bezugnahme auf die als Anlage 6 übermittelte DVD mit 1800 Dateien in 766 Ordnern ersetze keinen substantiierten Vortrag. Die Klägerin berechne - so hat die Beklagte behauptet - zu Lasten der Beklagten Folgeverspätungen (aufg...

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