Leitsatz (amtlich)

Zur objektgerechten Beratung gehört es auch, den Kunden über das Sonderkündigungsrecht des Emittenten hinsichtlich der nach Erreichung der Sicherheitsbarriere ausgegebenen Endloszertifikate aufzuklären.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.06.2010; Aktenzeichen 2-19 O 434/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11.6.2010 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht seines Bruders auf Schadensersatz i.H.v. 11.576,64 EUR wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit dem am 23.6.2006 erfolgten Erwerb von 10 Anteilen des Twin-Win-Zertifikates der Emittentin Lehmann Brothers Treasury Co. B. V. (WKNA0JXAX).

Der Zedent, der bei der Beklagten seit 1987 ein Wertpapierdepot unterhielt und in einem von der Beklagten geführten WpHG- Bogen vom 22.6.2006 hinsichtlich der Risikobereitschaft als "spekulativ, Risikoklasse 5" eingestuft war, wurde anlässlich eines mit dem für die Beklagte tätigen Berater A wegen einer Geldanlage angerufen, wobei dieser ihm das auf den Eurostoxx 50 basierende Twin- Win - Zertifikat empfahl.

Das von der Beklagten der Risikoklasse 4 zugeordnete Twin Win Zertifikat 06/06 ist so ausgestaltet, dass auf die Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50 - Indexes spekuliert wird. Dabei erfolgt die Rückzahlung des Twin Win Zertifikats in Abhängigkeit von der Entwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50 Index. Bei diesem konkreten Zertifikat - auch Schmetterlingszertifikat genannt - kann der Inhaber sowohl bei steigenden als auch bei fallenden Kursen des Basiswertes an der Entwicklung partizipieren.

Solange der Index während des Beobachtungszeitraums - hier der festgelegten Laufzeit - im Verhältnis zum anfänglichen Bewertungsstichtag zu keinem Zeitpunkt um 50 % oder um mehr als 50 % gefallen sein sollte - sog. untere Sicherheitsstufe/Barriere - ist der Anleger vor Kapitalverlusten geschützt und kann - abhängig von der absoluten Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50 - Gewinne erzielen. Wird allerdings die Sicherheitsschwelle berührt oder unterschritten, erhält der Anleger am Ende der Laufzeit keinen Barbetrag ausgezahlt, sondern Dow Jones Euro Stoxx 50 - Zertifikate mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2056 die die Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx abbilden. Die Rückzahlung ergibt sich hier aus dem Indexstand am abschließenden Bewertungstag im Jahre 2056 im Verhältnis zum Indexstand am anfänglichen Bewertungstag im Jahre 2006.

Der in Anlage K 4 vorgelegte Emissionsprospekt, welcher als "Nachtrag zum unvollständigen Verkaufsprospekt nach § 4WpHG" bezeichnet ist, enthält u.a. Regelungen zum (einseitigen) Kündigungsrecht der Emittentin und dessen Folgen.

Darin heißt es:

Sonstige vorzeitige Rückzahlung: Die Schuldverschreibungen können aufgrund bestimmter Ereignisse, wie in § 4(f), § 6(l) oder § 8 der Konsolidierten Bedingungen ausgeführt, vorzeitig zurückgezahlt werden.

In einem solchen Fall kann der Vorzeitige Rückzahlungsbetrag pro Schuldverschreibung unter dem Festgelegten Nennbetrag pro Schuldverschreibung liegen oder Null betragen.

Darüber hinaus sehen die Bedingungen der Zertifikate eine sog. Call Option (Vorzeitige Rückzahlung nach Wahl der Emittentin) der Emittentin der Zertifikate (ebenfalls Lehman Brothers Treasury Co. B. V.) vor. Diese Call Option ermögliche es der Emittentin, die Zertifikate einmal im Jahr (beginnend mit dem Jahr 2012) zu einem Betrag auf der Grundlage des Index vorzeitig zurückzuzahlen. Sofern die Emittentin der Zertifikate die Call Option ausübt, können Investoren die Chance verlieren, die Zertifikate bis zu ihrer Fälligkeit zu halten. Im Falle einer solchen vorzeitigen Rückzahlung sind Inhaber von Zertifikaten eventuell nicht in der Lage, die erhaltenen Rückzahlungsbeträge in vergleichbare Wertpapiere zu reinvestieren, um so eine den Zertifikaten vergleichbare Rendite zu erzielen. Die Emittentin der Zertifikate haftet nicht für irgendeinen Verlust oder Gewinnnachteil, der den Inhabern von Zertifikaten aufgrund einer solchen oder einer ausbleibenden Reinvestition ihrer Mittel entsteht.

Vorzeitige Rückzahlung der Schuldverschreibungen

... Investoren sollten beachten, dass im Falle einer solchen Vorzeitigen Rückzahlung dieser markgerechte Wert unter Umständen unter dem Festgelegten Nennbetrag pro Schuldverschreibung bzw. dem Betrag, den ein Investor für die Schuldverschreibungen gezahlt hat, liegen kann und möglicherweise Null betragen kann.

Am 22.6.2006 ließ der Zedent sich dann in der Filiale der Beklagten durch deren Mitarbeiter A beraten und zeichnet...

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