Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz wegen mangelhafter Anlageberatung (hier: Lehman-Zertifikate)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird im Rahmen einer Anlageberatung empfohlen, Twin Win Zertifikate (sog. Schmetterlingszertifikate) zu zeichnen, bei denen - abgesehen von einer vorgesehenen Sicherheitsschwelle von 50 % und dem Emittentenrisiko - ein Kapitalverlust ausgeschlossen ist, muss über das Rückzahlungsszenario bei Berühren/Unterschreiten dieser Sicherheitssschwelle detailliert aufgeklärt werden.

2. Da bei den ausgegebenen Ersatzzertifikaten, die die Wertentwicklung des Dow Jones Euro Stocks abbilden, das eingesetzte Kapital verloren werden kann, ist auch über ein vorzeitiges Kündigungsrecht der Emittentin aufzuklären.

 

Normenkette

BGB § 280

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 31.08.2009)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 31.8.2009 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung, 7.000 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung von 7 Zertifikaten mit einem Nennbetrag von je EUR 1.000 der Lehman Brothers Treasury Co. B. V. an die Klägerin zu zahlen.

Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes, des Rechtsanwalts X wegen angeblich fehlerhafter Anlagenberatung und unzureichender Aufklärung über Rückvergütungen in Anspruch. Dabei handelt es sich nach Darstellung der Klägerin um die bundesweit erste Klage auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer behaupteten fehlerhaften Anlageberatung in Lehman-Zertifikaten.

Der Zedent ist Sozius in der Kanzlei, die ihn und eine Vielzahl weiterer Geschädigter vertritt, die mit Lehman Zertifikaten einen Totalverlust erlitten haben.

Der Zedent - nach seiner Darstellung Strafverteidiger und jedenfalls nicht mit dem Dezernat in der Sozietät "Bank- und Kapitalmarktrecht" befasst - ist seit mindestens Januar 1991 Kunde der Beklagten und unterhält bei dieser seit Februar 2000 ein Wertpapierdepot.

Der vom Kläger vorgelegte Kontovertrag Depot Anlage K 4 (Bl. 112 d.A.) unterscheidet sich insofern von dem von der Beklagten vorgelegten Exemplar Anlage B 1 (Bl. 57 d.A.), als im Exemplar der Beklagten die Risikoklasse 3 angekreuzt ist.

Der Streit der Parteien beginnt schon damit, ob der Zedent bei dieser Gelegenheit "die Basisinformation über Vermögensanlagen in Wertpapieren" (Anlage B 2 = Bl. 59 ff. d.A.) erhalten hat, wobei auf Bl. 42 dieser Basisinformation über Vermögensanlagen in Wertpapieren auch die Funktionsweise und Grundlagen von Zertifikaten erläutert werden (Bl. 60 ff.) und auf S. 44 (Bl. 62 d.A.) Vergütungen für den Vertrieb von Zertifikaten als möglich erwähnt werden.

Insoweit ist allerdings auch streitig, ob die Anlage B 2 die damals ausgegebenen Basisinformationen beinhaltet oder neueren Datums ist.

Der Zedent unterhielt bei der Beklagten ein Wertpapierdepot über u.a. kleine Stückzahlen Aktien B AG, C AG, D AG, E AG und F AG.

Auf telefonische Empfehlung des Mitarbeiters der Beklagten, bei dem es sich laut Darstellung der Klägerin um Herrn G handelt, laut Darstellung der Beklagten um den Kundenbetreuer Y, sollten diese vorgenannten Einzelwerte in kleinen Stückzahlen veräußert und von dem Erlös die eingangs näher bezeichneten 7 Lehmann-Zertifikate erworben werden.

Das Twin Win Zertifikat 08/2007 ist so ausgestaltet, dass auf die Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50 Indexes spekuliert wird.

Dabei erfolgt die Rückzahlung des Twin Win Zertifikats in Abhängigkeit von der Entwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50 Index.

Bei diesem konkreten Zertifikat - auch Schmetterlingszertifikat genannt - kann der Inhaber sowohl bei steigenden als auch bei fallenden Kursen des Basiswertes an der Entwicklung partizipieren.

Solange der Index während des Beobachtungszeitraums - hier der Laufzeit - im Verhältnis zum anfänglichen Bewertungsstichtag 24.8.2007 zu keinem Zeitpunkt um 50 % oder um mehr als 50 % gefallen sein sollte - sog. untere Sicherheitsstufe/Barriere - ist der Anleger vor Kapitalverlusten geschützt und kann - abhängig von der absoluten Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50 - Gewinne erzielen.

Wird allerdings die Sicherheitsschwelle berührt oder unterschritten, erhält der Anleger am Ende der Laufzeit - abschließender Bewertungstag 22.8.2012 - keinen Barbetrag ausgezahlt, sondern Dow Jones Euro Stoxx 50 - Zertifikate mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2057, die die Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx abbilden.

Die Rückzahlung ergibt sich hier aus dem Indexstand am abschließenden Bewertungstag im Juni 2057 im Verhältnis zum Indexstand am anfänglichen...

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