Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Haftung des in einem selbstängen Beweisverfahren gerichtlich beestellten Sachverständigen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein in einem selbständigen Beweisverfahren gerichtlich bestellter Sachverständiger haftet dann nicht nach § 839a BGB, wenn sich kein Streitverfahren anschließt, das durch eine gerichtliche Entscheidung abgeschlossen wird, und der Kläger im Beweisverfahren einen Antrag auf Einholung eines Ergänzungsgutachtens nicht weiterverfolgt.

 

Normenkette

BGB § 839a Abs. 1-2, § 839 Abs. 3, § 166 Abs. 1, §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 25.01.2016; Aktenzeichen 5 O 97/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Gießen vom 25.01.2016 (5 O 97/15) wird zurückgewiesen.

Das Urteil des LG Gießen vom 25.01.2016 (5 O 97/15) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 8.112,41 Euro.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Erstattung von anteilig von ihm, im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens vor dem LG Gießen (.../10) geleisteten Sachverständigenkosten sowie die Feststellung, dass die Beklagten, die Gesamtrechtsnachfolger des im selbständigen Beweisverfahren gerichtlich beauftragten Sachverständigen SV1 sind, verpflichtet sind, alle weiteren Schäden zu ersetzen, die infolge des im selbständigen Beweisverfahren vom Sachverständigen erstatteten Gutachten entstanden sind oder noch entstehen werden. Darüber hinaus begehrt der Kläger die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 176 - 180 d.A.).

Das LG hat die Klage mit dem am 25.01.2016 verkündeten Urteil als unbegründet abgewiesen, da dem Kläger gegen die Erben des Sachverständigen kein Anspruch aus § 839a Abs. 1 BGB zustehe. Insbesondere habe der Kläger es mit den übrigen Antragstellern im selbständigen Beweisverfahren unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB). Rechtsmittel i. d. S. seien auch der Antrag auf Erstattung eines Ergänzungsgutachtens sowie auf mündliche Anhörung des Sachverständigen. Der Kläger habe den im selbständigen Beweisverfahren mit gerichtlichem Beschluss vom 09.02.2011 angeforderten Kostenvorschuss in Höhe von 500 Euro für die Einholung des beantragten Ergänzungsgutachtens nicht gezahlt und damit selbst dafür gesorgt, dass eine mögliche Korrektur des Gutachtens durch den Sachverständigen nicht herbeigeführt worden sei. Ferner habe der Kläger auch nicht die mündliche Anhörung des Sachverständigen beantragt.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30.01.2016 (Bl. 185 d.A.) zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.02.2016 Berufung eingelegt (Bl. 196 d.A.) und die Berufung binnen der bis zum 28.04.2016 verlängerten Frist begründet (Bl. 209 ff. d.A.).

Von einer Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Das Urteil des LG beruht weder auf einem Rechtsfehler im Sinne von §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

1. Der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch besteht nicht.

Dieser ergibt sich weder aus § 839a BGB i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB noch aus einem anderen rechtlichen Grund.

a) Nach § 839a BGB ist ein gerichtlich bestellter Sachverständiger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf einem vorsätzlich oder grob fahrlässig erstatteten, unrichtigen Gutachten des Sachverständigen basiert.

Zwar fällt der streitgegenständliche Sachverhalt in den Anwendungsbereich des § 839a BGB, zumal es um die Haftung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen geht. Jedoch haften der Sachverständige bzw. seine Erben, d.h. die Beklagten, nach § 839a BGB deswegen nicht, da dem Kläger jedenfalls kein Schaden durch eine gerichtliche Entscheidung entstanden ist. Das selbständige Beweisverfahren vor dem LG Gießen (Az.:.../10) endete nämlich nicht durch eine gerichtliche Entscheidung sondern dadurch, dass der Kläger sowie die weiteren dortigen Antragsteller mit Schriftsatz vom 24.02.2011 (Bl. 136d. Akte zu Az.:.../10) mitteilten, den Kostenvorschuss für das beantragte Ergänzungsgutachten nicht einzahlen zu wollen und darin um Abrechnung der Verfahrenskosten baten. Ein sich anschließender Rechtsstreit, in dem das Gutachten gemäß § 493 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legen gewesen wäre, fand nicht statt.

Auch eine Haftung der Beklagten aufgrund analoger Anwendung des § 839a BGB scheidet aus. Nach weit überwiegender Auffassung - der sich der Senat anschließt - ergibt sich aus dem gesetzgeberischen Willen (vgl. BT-...

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