Entscheidungsstichwort (Thema)

Absolute Fahruntüchtigkeit. Beweiserhebungsverbot. Beweisverwertungsverbot. Blutentnahme. Fahruntüchtigkeit. Grenzwert. Richtervorbehalt. Verwertung. Widerspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine drohende Unterschreitung des Grenzwertes für die absolute Fahruntüchtigkeit kann Gefahr im Verzug begründen.

2. Ein Verwertungsverbot besteht dann nicht, wenn der verteidigte Angeklagte der Verwertung des Ergebnisses der unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt angeordneten Blutentnahme nicht in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung spätestens zu den in § 257 StPO genannten Zeitpunkt widerspricht. Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte in dieser Instanz freigesprochen wurde.

3. Zur Frage der willkürlichen Annahme von Gefahr in Verzug bei einem bloßen Irrtum im Tatsächlichen.

 

Normenkette

StPO § 81a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.05.2010; Aktenzeichen 5/10 - 3950 AR 300280/10 Ns (24/10))

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den ihm zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, am ....2009 gegen 16.15 Uhr in Stadt1 mit einem Lkw die ....straße befahren zu haben, obwohl er infolge Alkoholgenusses nicht mehr in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen. Das Amtsgericht sprach ihn von diesem Vorwurf frei. Mit dem angefochtenen Urteil verwarf das Landgericht die dagegen form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Amtsanwaltschaft.

Nach den Feststellungen der Kammer befuhr der Angeklagte am ....2009 gegen 16.15 Uhr in Stadt1 mit dem Lkw ..., amtl. Kennzeichen ....die ...straße in Richtung ... Straße und kollidierte "ohne eigenes Verschulden" mit einem Taxi, dessen Fahrer aus einer Parkbucht rückwärts auf die Fahrbahn fuhr. Die von dem Taxifahrer herbeigerufene Polizeistreife - POKin P1 und POK P2 - bemerkte, dass die Atemluft des Angeklagten nach Alkohol roch, er aber bis auf eine leichte Gangunsicherheit keine Ausfallerscheinungen aufwies und führte einen Atemalkoholtest mit einem mobilen (nicht geeichten) Gerät durch, der einen Wert von 1,05 %o ergab. Auf dem Weg zur Dienststelle mit dem Angeklagten verständigte POKin P1 über Funk den Dienstgruppenleiter und ging davon aus, dass dieser die richterliche Anordnung eingeholt habe, ohne sich allerdings hierüber zu vergewissern. Die auf ihre Veranlassung - ohne Einverständnis des Angeklagten, ohne richterliche Anordnung und ohne Dokumentation der Gründe für deren Nichteinholung - von einem Arzt um 17.35 Uhr durchgeführte Blutentnahme ergab einen Wert von 0, 99 %o. Der Untersuchungsbericht vermerkte keine Ausfallerscheinungen des Angeklagten. Das Landgericht stellte ferner fest, der Angeklagte habe sich dahin eingelassen, er habe bis 16.00 Uhr 2-3 gespritzte Apfelwein a 0,3 l getrunken, was nach den Ausführungen des Sachverständigen zu einer Tatzeitblutalkoholkonzentration von allenfalls 0,28 %o führe. Der auch erstinstanzlich von einem Rechtsanwalt verteidigte Angeklagte habe der Verwertung des Ergebnisses der Blutentnahme in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht nicht widersprochen.

Das Landgericht hat angenommen, das Ergebnis der Blutprobe sei unverwertbar, so dass wegen der Ungenauigkeit des Messgerätes von einer Tatzeitblutalkoholkonzentration von allenfalls 0, 28 %o auszugehen sei. Es hat das Vorliegen relativer Fahruntüchtigkeit mangels Vorliegen von Ausfallerscheinungen - die Gangunsicherheit könne auf die unfallbedingte Aufregung des Angeklagten zurückzuführen sein - verneint und auch eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG verneint.

Mit ihrer frist- und formgerecht eingelegten und ausschließlich mit der Sachrüge begründeten Revision rügt die Amtsanwaltschaft, die Kammer habe zu Unrecht ein Beweiserhebungs- und -wertungsverbot hinsichtlich der festgestellten Blutalkoholkonzentration angenommen.

II. Die erhobene Sachrüge führt zur Aufhebung des Urteils. Aufgrund dieser Rüge ist der Senat berechtigt zu prüfen, ob auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Subsumtion des Landgerichts die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes rechtfertigt (BGHSt 51, 285 - zit. nach juris Rn 13; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 261 Rn 38). Dies ist nicht der Fall.

Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen die Annahme eines Beweisverwertungsverbots bezüglich der ohne richterliche Anordnung entnommenen Blutprobe - Verletzung des § 81 a II StPO - nicht.

1. Nach ihnen mangelt es bereits am Vorliegen eines Beweiserhebungsverbotes.

Die Anordnung der Blutentnahme darf gem. § 81a II StPO nur durch den zuständigen Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolgs auch durch die Staatsanwaltschaft und - nachrangig - durch ihre Ermittlungspersonen erfolgen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher grundsätzlich versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters z...

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