Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob die Nutzungsüberlassung durch einen ausgeschiedenen Gesellschafter eigenkapitalersetzenden Charakter hat.

 

Normenkette

GmbHG §§ 30, 32a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 09.12.2002; Aktenzeichen 2 O 379/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Gießen 2. Zivilkammer - vom 9.12.2002 abgeändert.

Die Forderung des Klägers im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma A, ..., O1, i.H.v. 18.968,73 EUR zur Insolvenztabelle festgestellt.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen des LG wird Bezug genommen, soweit sie nicht in Widerspruch zu denen des Berufungsurteils stehen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat mit Urt. v. 9.12.2002 die Klage auf Feststellung der Forderung des Klägers zur Insolvenztabelle abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage unter deren Abweisung im Übrigen verurteilt, an den Beklagten 30.002,60 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 229-234 d.A.) wird ebenfalls Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags seinen Klageantrag weiter, soweit er den Rechtsstreit i.H.v. 9.500 EUR nicht für erledigt erklärt hat (vgl. Schriftsatz vom 29.9.2003, Bl. 281/282 d.A.), und erstrebt die volle Abweisung der Widerklage, während der Beklagte die Zurückweisung der Berufung begehrt.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.

1. Widerklage:

Entgegen der Auffassung des LG ist der Anspruch des Beklagten auf Rückgewähr der von der Insolvenzschuldnerin an den Kläger geleisteten Mieten unbegründet.

Zwar kann auch eine Nutzungsüberlassung, insb. aufgrund eines Miet- oder Pachtverhältnisses, eine eigenkapitalersetzende Gesellschafterleistung darstellen, deren Rechtsfolgen nach §§ 32a GmbHG und 135 InsO (früher § 32a KO) zu beurteilen sind (BGH v. 11.7.1994 - II ZR 146/92, BGHZ 127, 1 [7] = GmbHR 1994, 612 = MDR 1994, 1098; v. 11.7.1994 - II ZR 162/92, BGHZ 127, 17 [21] = GmbHR 1994, 691 = MDR 1994, 1100). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags mit der Insolvenzschuldnerin (1.8.1991) nicht mehr deren Gesellschafter war, da er bereits am 13.6.1991 seinen Geschäftsanteil an den Mitgesellschafter B veräußert hatte. In einem solchen Fall kommt allerdings eine Zuwendung der Leistung der Insolvenzschuldnerin an den Kläger als "Dritten" in Betracht, wenn dieser dem Gesellschafter oder der Gesellschaft besonders nahe steht, insb. eine wirtschaftliche Einheit mit ihm oder ihr bildet. Unter diesen Umständen kann u.a. ein mit dem Gesellschafter oder der Gesellschaft verbundener Dritter zur Rückgewähr einer Leistung verpflichtet sein, die er unter Verstoß gegen § 30 GmbHG erhalten hat (BGH v. 24.9.1990 - II ZR 174/89, MDR 1991, 322 = NJW 1991, 357, unter Nr. 2a). Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kläger nach seinem Ausscheiden in irgendeiner Weise noch unternehmerischen Einfluss auf die GmbH und später Insolvenzschuldnerin hätte ausüben können. Es handelte sich bei der Insolvenzschuldnerin nach seinem Ausscheiden um eine Einmann-GmbH. Irgendwelche Verflechtungen zwischen ihr und dem Kläger, die es ihm ermöglicht hätten, einen beherrschenden unternehmerischen Einfluss auf die GmbH auszuüben, bestanden nicht. Jedenfalls ist derartiges nicht ersichtlich. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Anlagen B 24 (Besprechungsnotiz v. 25.11.1996) und B 28 (Gesprächsnotiz v. 9.3.1996) des Anlagenbands, da sie nur Vorschläge des Klägers beinhalten, wie die derzeit bestehenden finanzielle Schieflage der Gesellschaft behoben werden könne.

Allerdings werden auch ehemalige Gesellschafter im Hinblick auf Finanzierungshilfen, zu denen auch eine Gebrauchsüberlassung gehört, von den Kapitalersatzregelungen erfasst, wenn sie bereits vor ihrem Ausscheiden kapitalersetzenden Charakter hatten (BGH v. 19.2.1990 - II ZR 268/88, BGHZ 110, 342 [353] = GmbHR 1990, 251 = MDR 1990, 601; NJW 2001, 1490, unter Ziff. 1V). Auch dies ist indessen im Streitfall zu verneinen.

Eine unter diesem Gesichtspunkt in Betracht kommende Haftung des Klägers hängt davon ab, ob und inwieweit die sachlichen Voraussetzungen einer Umqualifizierung seiner Leistung (der Gebrauchsüberlassung) in Eigenkapital bereits zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Insolvenzschuldnerin vorlagen. Dies ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft sich schon damals i.S.v. § 32a Abs. 1 GmbH in der Krise befand, also insolvenzreif, das heißt zahlungsunfähig oder überschuldet oder kreditunwürdig war (BGH NJW 2001, 1490, unter Ziff. IV). Hiervon kann...

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