keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprechen. Verkehrsmittel. Werbung

 

Leitsatz (amtlich)

Das überraschende werbliche Ansprechen von Personen in Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrswege, das früher in aller Regel als sittenwidrig eingestuft worden ist, kann heute nicht mehr per se als sittenwidrig angesehen werden.

 

Normenkette

UWG 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3-11 O 83/00)

 

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation und vermitteln Telefongespräche u.a. im Festnetz. Sie streiten um die Frage, ob es wettbewerbsrechtlich zulässig ist, im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden Passanten auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufszentren oder Geschäftspassagen gezielt und individuell anzusprechen und/oder ansprechen zu lassen. Derartige Werbemaßnahmen hat die Antragsgegnerin im Mai und Juni 2000 in A. durchgeführt. Am 26.5.2000 und 2.6.2000 wurde eine Kundin der Antragstellerin im Eingangsbereich des Warenhauses „R.”, in A. von Werbern vor einem Werbestand der Antragsgegnerin angesprochen, die versuchten, diese Kundin für den Abschluß eines Pre-Selection-Vertrages mit der Antragsgegnerin zu gewinnen.

Die Antragstellerin hält das gezielte, individuelle Ansprechen von Passanten in öffentlichen Verkehrsräumen für wettbewerbswidrig und hat bereits mehrere einstweilige Verfügungen erstritten, mit denen derartige Werbemethoden untersagt wurden. Darunter befindet sich auch der Beschluß – einstweilige Verfügung – vom 27.6.2000, mit dem der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden Passanten auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufszentren oder Geschäftspassagen gezielt und individuell anzusprechen und/oder ansprechen zu lassen. Gegen diesen Beschluß hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin hat diesen Beschluß unter Hinweis auf die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs verteidigt und beantragt,

den Beschluß – einstweilige Verfügung – vom 27.6.2000 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung unter Aufhebung des Beschlusses vom 27.6.2000 zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung fehle angesichts von ihr bereits früher durchgeführter entsprechender Werbemaßnahmen, die von der Antragstellerin wegen anderer Vorkommnisse abgemahnt worden seien, die Dringlichkeit. Außerdem genüge der Unterlassungsantrag nicht dem Bestimmtheitsgebot. Das Eilbegehren sei auch in der Sache unbegründet, weil es sich bei der angegriffenen Werbeform um eine heute weitgehend übliche Werbemaßnahme handle, die der Verkehr kenne und die mangels Vorliegens besonderer Umstände nicht unlauter sei. Insoweit habe sich die Verkehrsauffassung geändert.

Mit Urteil vom 21.7.2000, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Beschluß vom 27.6.2000 bestätigt.

Mit der Berufung wiederholt und ergänzt die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Zur Unterstützung ihrer Rechtsansicht beruft sie sich insbesondere auf die Entscheidung BGH NJW 1994, 1071 ff (= GRUR GRUR 1994, 380 ff; WRP 1994, 262 ff – Lexikothek) und macht geltend, daß es der gesetzgeberischen Intention des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Haustürwiderrufgesetz widersprechen würde, wenn man die hier vorliegende Form des Direktmarketing als wettbewerbswidrig ansehen würde. Wegen der Einzelheiten ihres Sachvortrags wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.7.2000 den Beschluß – einstweilige Verfügung – vom 27.6.2000 aufzuheben und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer zu den Akten gereichten Schriftsätze und verweist insbesondere auf das in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichte Urteil des OLG Köln vom 2.2.2001 (6 U 112/00).

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Sach- und Streitstand eingehend mit dem Parteien erörtert worden. Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung sowie auf die in ihr überreichten Glaubhaftmachungsmittel und sonstigen Unterlagen wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

1. Soweit die Parteien um den Inhalt des Unterlassungsantrags streiten, ist das Unterlassungsbegehren entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hinreichend bestimmt.

Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Unterlassungsantrags ist zwischen den Parteien umstritten, was unter einem „gezielten und individuellen Ansprechen” v...

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