Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine erneute Zustellung der Unterlassungsverfügung an nachträglich bestellten Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Unterlassungsverfügung ist nur dann zum Zwecke der Vollziehung dem Anwalt des Antragsgegners zuzustellen,wenn dieser sich als Prozessbevollmächtigter bestellt hat und dem Antragssteller die Bevollmächtigung zur Prozessführung zur hinreichend sicheren Kenntnis gebracht wurde (Festhaltung an OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.09.2017 - 6 U 92/17). Aus § 172 Abs. 1 ZPO ergibt sich nicht die Pflicht, ein bereits im Parteibetrieb wirksam zugestelltes Schriftstück nach Bestellung des Prozessbevollmächtigten erneut zuzustellen.

2. Aus dem Umstand, dass ein Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO auch im Widerspruchsverfahren gestellt werden kann und die Verfahrenskosten des Widerspruchsverfahrens dann auch das Aufhebungsverfahren betreffen, ergibt sich nicht, dass der Schuldner einen materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch, für außergerichtliche Kosten in Form eines Gegenverfügungsantrags im einstweiligen Verfügungsverfahren verfolgen kann.

 

Normenkette

ZPO §§ 172, 927, 929 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 26.08.2020; Aktenzeichen 12 O 30/19)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 26.8.2020 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wiesbaden wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1) und 2) der einstweiligen Verfügung vom 18.6.2019 um folgenden Zusatz ergänzt werden:

"wie geschehen am 6.5.2019 gegenüber der Kundin X, Anlagen Ast 7, Ast 8."

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin möchte der Antragsgegnerin täuschende Angaben im Zusammenhang mit der Abwerbung von Kunden verbieten lassen.

Die Parteien bieten privaten und gewerblichen Verbrauchern Strom- und Gaslieferungsverträge unter verschiedenen Marken und Produkten an. Ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin rief am 6.5.2019 die Kundin der Antragstellerin X an, um ihr einen neuen Vertrag anzubieten. Dabei äußerte er sinngemäß, der neue Vertrag sei bei demselben Lieferanten und würde lediglich einen neuen Namen erhalten, und zwar "Y". Es handele sich lediglich um eine Vertragsänderung, der Versorger bleibe derselbe (Anlage Ast7, Ast8).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin mit Beschluss - einstweiliger Verfügung vom 18.6.2019 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

1) wörtlich oder sinngemäß gegenüber Kunden der Antragstellerin zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, im Namen und/oder im Auftrag der Antragstellerin tätig zu sein,

und

2) Kunden der Antragstellerin Änderung von Verträgen mit der Antragstellerin anzubieten.

Die einstweilige Verfügung ist der Antragsgegnerin am 1.7.2019 im Parteibetrieb zugestellt worden. Auf den Widerspruch und Aufhebungsantrag der Antragsgegnerin hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 26.8.2020 bestätigt. Den Antrag der Antragsgegnerin auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten hat es abgewiesen (Berichtigungsbeschluss vom 19.10.2020).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

I. das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 26.8.2020 - 12 O 30/19 aufzuheben;

II. den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen;

III. die Verfügungsklägerin zu verurteilen, an die Verfügungsbeklagte EUR 887,03 nebst Zinsen, die 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegen, seit 16.6.20019 zu zahlen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, mit der Maßgabe, dass der Antrag jeweils den Zusatz erhält, "wie geschehen am 6.5.2019 gegenüber der Kundin X, Anlagen Ast 7, Ast 8."

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Verfügungstenor ist - in seiner vom Senat modifizierten Form - weder zu unbestimmt noch greift er zu weit. Er nimmt konkret auf den Inhalt des Telefonanrufs der Antragsgegnerin bei einer Kundin der Antragstellerin Bezug. Der abstrakte Teil des Antrags / Tenors zu 1) umschreibt das zu unterlassende Verhalten hinreichend konkret. Die Antragsgegnerin soll es unterlassen, gegenüber Kunden der Antragstellerin zu behaupten, im Auftrag der Antragstellerin tätig zu sein. Die Behauptung ist natürlich nur dann verboten, wenn kein Auftrag vorliegt. Dies versteht sich von selbst und ergibt sich zwanglos aus dem Kontext des Eilantrags. Der Antrag / Tenor zu 2) ist dagegen gerichtet, Kunden der Antragstellerin eine Änderung von Verträgen mit der Antragstellerin anzubieten. Gemeint ist damit ersichtlich, dass nicht der unzutreffende Eindru...

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