Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis von Wettbewerbsverbänden: Anforderungen an die Mitgliederzahl

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der für die Klagebefugnis eines Wettbewerbsverbands maßgeblichen Frage, ob dem Verband im Sinne von § 8 III Nr. 2 UWG eine erhebliche Zahl von Mitbewerbern des Verletzers angehört, sind auch die Bedeutung und das wirtschaftliche Gewicht der in Betracht kommenden Mitglieder auf dem betreffenden Markt zu berücksichtigen. Dabei kommt Mitgliedsunternehmen, die auf einer Verkaufsplattform einen online-Shop betreiben und dort neben einer Vielzahl unterschiedlicher Artikel in geringem Umfang auch Erzeugnisse anbieten, die ein Wettbewerbsverhältnis mit dem Verletzer begründen, ein eher geringes Gewicht zu (ausreichende Mitgliederzahl im Streitfall verneint).

 

Normenkette

UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.02.2018; Aktenzeichen 3-6 O 72/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 27.02.2018 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 22.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Verletzung von Informationspflichten nach dem UWG.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der laut seiner Satzung die Interessen von Onlineunternehmen vertritt. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört die Förderung insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder, in streitigen Fällen durch Abmahnung und Prozessführung (Anl. K4).

Der Beklagte handelt als gewerblicher Verkäufer über die online Plattform eBay mit Comics. Bei dem Angebot eines Comics auf eBay fügte er seinem Angebot kein Musterwiderrufsformular zu. Des Weiteren fehlte es an Informationen über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrecht für Waren. Im Hinblick auf den Versand findet sich im Angebot die Angabe "für Lieferung in andere Länder bitten wir um Kontaktaufnahme". Eine Angabe zur Umsatzsteuer fehlt bei der Preisangabe im streitgegenständlichen Angebot. Schließlich fehlen Angaben darüber, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss von dem Unternehmer selbst gespeichert würden und ob der Unternehmer selbst den Vertragstext dem Kunden zugänglich macht.

Nach Kenntniserlangung von den Verstößen mahnte der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 27.6.2016 ab und forderte ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, was der Beklagte verweigerte.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 27. 2. 2018, auf das gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Er ist der Auffassung, es fehle schon der Prozessführungsbefugnis des Klägers, da in dessen Mitgliederliste kein einziger Händler enthalten sei, den in echter Konkurrenz mit ihm stehe. Weiterhin handele es sich bei dem Kläger um einen Abmahnverein, der aus rein finanziellen Interessen Abmahnungen im großen Stil durchführe. Deshalb sei das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 7 20.2.2018 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Kläger und der Beklagte haben in der Berufungsinstanz weiter zu dem Mitgliederbestand des Klägers vorgetragen.

II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unzulässig, da es dem Kläger an der nach § 8 III Nr. 2 UWG nötigen Prozessführungsbefugnis fehlt. Der Kläger konnte nicht dartun, dass ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie der Beklagte vertreiben.

1.) Für die Wirtschafts- und Verbraucherverbände im Sinne von § 8 III Nr. 2 und 3 gilt die Lehre von der Doppelnatur (BGH GRUR 2015, 1240 Rn. 13 - Der Zauber des Nordens). Die in diesen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung werden zugleich als Prozessvoraussetzungen, nämlich der Klagebefugnis (Prozessführungsbefugnis), qualifiziert. Die Voraussetzungen sind von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, zu prüfen (BGH GRUR 2015, 1240 Rn. 13 - Der Zauber des Nordens). Für die Feststellung der Voraussetzungen gelten die Grundsätze des Freibeweises (vgl. BGH GRUR 2001, 846 (847) - Metro V), so dass neuer Vortrag beider Parteien hierzu in zweiter Instanz hierzu nicht der Präklusion nach § 531 ZPO unterfallen kann.

2.) Der Kläger konnte nicht darlegen, dass ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die W...

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