Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, wann ein Verletzung von Aufführungsrechten vorliegt.

2. Eine bühnenmäßige Aufführung liegt vor, wenn bei der Wiedergabe von Musikstücken oder Schlagerliedern aus Operetten der gedankliche Inhalt des entsprechenden Werks oder seiner Bestandteile durch bewegtes Spiel für Auge und Ohr des Publikums als eine gegenwärtig sich vollziehende Handlung vermittelt wird.

3. Entscheidend ist, dass der jeweilige Bruchteil des Gesamtwerks "in Szene gesetzt" wird. Für die bühnenmäßige Aufführung ist das visuell erkennbare, bewegte Spiel zur Darstellung eines bestimmten Vorgangs erforderlich. Eine fortlaufende Handlung oder die Wiedergabe von Teilstücken, die den gesamten Gang des Werks erkennen lassen, ist nicht nötig.

4. Im Einzelfall kann auch die Aneinanderreihung einzelner Bilder aus den geschützten Bühnenwerken und die lose Aufeinanderfolge einzelner Handlungselemente aus ihnen genügen, um die Voraussetzung einer bühnenmäßigen Aufführung von Teilen dieser Werke zu erfüllen.

 

Normenkette

UrhG § 19 Abs. 2, § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.02.2005; Aktenzeichen 2-6 O 27/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.07.2008; Aktenzeichen I ZR 204/05)

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Bühnenwerken "Die Schöne und das Biest", "Der Glöckner von Notre Dame", "Der König der Löwen" und "Aida".

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, veranstaltet bundesweit Aufführungen unter dem Titel "The Musical Starlights of Sir Andrew Lloyd Webber and The Disney Musical-Productions" im Rahmen von Tourneen.

Die Klägerin, die der Auffassung ist, die Aufführung der Beklagten stelle eine bühnenmäßige Aufführung der Disney-Musicals dar, hat die Beklagten auf Unterlassung der bühnenmäßigen Aufführung, bestimmter werbemäßiger Ankündigungen sowie der Verwendung bestimmter Kostüme in Anspruch genommen. Ferner hat sie von den Beklagten Auskunft verlangt und Schadensersatzfeststellung beantragt.

Das LG hat der Klage - mit Ausnahme des gegen die Verwendung von bestimmten Kostümen gerichteten Unterlassungsantrags - im Wesentlichen stattgegeben. Wegen der Begründung und hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das Urteil vom 2.2.2005 (Bl. 224 ff. d.A.) Bezug genommen.

Dagegen richten sich die Rechtsmittel der Parteien.

Die Beklagten greifen das Urteil an, soweit sie zur Unterlassung der bühnenmäßigen Aufführung der Disney Musicals und zur Auskunftserteilung verurteilt worden sind.

Sie rügen, das LG habe rechtsfehlerhaft aus der visuellen Ähnlichkeit gewisser Szenen der beiderseitigen Produktionen auf eine Urheberrechtsverletzung der Beklagten geschlossen. Dabei sei es der Abgrenzungsfrage zwischen "großem Recht" und "kleinem Recht" ausgewichen. Es handle sich bei den in Rede stehenden Songs um vorbestehende Werke des "kleinen Rechts", die nachträglich in die Musicals integriert worden seien. Das "große Recht" sei nicht berührt, so dass die über die GEMA erworbene Lizenz für die konkreten Aufführungen ausreiche und eine Urheberrechtsverletzung nicht vorliege.

Bei der Abgrenzung habe das LG nicht auf die visuellen Ähnlichkeiten, die Ausgestaltung der Werbung und den Inhalt des Programmhefts abstellen dürfen. Ob es sich bei der Produktion der Beklagten um eine Aufführung des großen Rechts, also um ein musikalisch-dramatisch bewegtes Spiel handele, bei dem eine bestimmte dramaturgische Handlung dargestellt werde, sei nicht anhand der Werbematerialien, sondern ausschließlich anhand des Videomitschnitts der Aufführung der Beklagten zu beurteilen. Das "große Recht" schütze nicht die optische Ausstattung einer Produktion, sondern deren dramaturgische Handlung, die nicht durch einzelne statische Fotos wiedergegeben werden könne. Das Gericht habe sich ausschließlich an den Drehbüchern der Klägerin orientiert, deren Übereinstimmung mit den Aufführungen der Klägerin die Beklagten bestreiten.

Das LG führe nicht aus, inwieweit der gedankliche Inhalt der aufgeführten Bestandteile der Musicals erkennbar gemacht werde. Die Produktion der Beklagten sei ohne Hintergrundwissen eine bunte Schau ohne Handlung, Sinn und Zweck. Es fehle ein Überschuss an dramaturgischer Handlung, der über den rein musikalischen Gehalt hinaus urheberrechtlich geschützt sei und nicht durch die GEMA lizenziert werden könne.

Offensichtlich sei das LG von der unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen, dass die Beklagte die Werke lediglich konzertant, nicht aber im Rahmen einer Showproduktion darbieten dürfe. Vom Wahrnehmungsbereich der GEMA sei nicht jegliche bühnenmäßige Aufführung von Musik ausgeschlossen, sondern nur die bühnenmäßige Aufführung dramatisch-musikalischer Werke, soweit dies zumindest in größeren Teilen geschehe. Das LG habe in Verkennung der Rechtslage unterstellt, jegliche bühnenmäßige Aufführung von Songs aus den Musicals sei rechtswidrig und nur die konzertante Darbietung über die GEMA könne lizenziert werden.

Schließlich habe das LG unzutreffe...

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