Leitsatz (amtlich)

Die sog. Corona-Soforthilfe dient als zweckgebundene Leistung der Überbrückung von Liquiditätsengpässen des Betriebes. Sie steht deshalb nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung und kann daher den eheangemessenen Lebensbedarf nicht bestimmen.

Bei der Ermittlung des laufenden Unterhalts sind kurzfristige Einkommensrückgänge aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht schon bei der Bestimmung des eheangemessenen Bedarfs, sondern erst auf der Ebene der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie waren nicht vorhersehbar. Deshalb musste der Unterhaltsschuldner keine Vorkehrungen treffen und es kann von ihm auch nicht verlangt werden, unmittelbar seine selbständige Tätigkeit aufzugeben.

Ob und wann mit einem Wiederaufleben der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gerechnet werden kann, ist nicht hinreichend sicher prognostizierbar; die Erfassung künftiger Einkommensverbesserungen ist einem Abänderungsverfahren vorzubehalten.

 

Normenkette

BGB § 1570 Abs. 1 S. 2, § 1573 Abs. 2, §§ 1578, 1581; FamFG § 145 Abs. 1, § 150 Abs. 1, 4 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Hanau (Aktenzeichen 68 F 235/18 S)

 

Tenor

Auf die Beschwerde vom 15.01.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hanau vom 25.09.2018 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - in Ziffer 3 wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Der Antragsteller wird verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung bis einschließlich Dezember 2020 an die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 413 EUR zu zahlen, abzüglich am 30.03.2020 gezahlter 565 EUR.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 6.780 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Anschluss an ein erstinstanzliches Scheidungsverbundverfahren allein noch um die Folgesache nachehelicher Unterhalt.

Parallel wurde zum Trennungsunterhalt das Verfahren 8 UF 139/19 geführt, das antragsgemäß beigezogen worden ist.

Die Beteiligten sind deutsche Staatsangehörige. Sie haben am 04.12.2015 geheiratet. Am ....2016 wurde das gemeinsame Kind U geboren. Die Beteiligten trennten sich im Februar 2017. Der Antragsteller zog aus der gemeinsamen Wohnung aus, in der die Antragsgegnerin mit dem gemeinsamen Kind verblieb. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 09.03.2018 zugestellt.

Der Antragsgegner hat regelmäßigen Umgang mit dem gemeinsamen Sohn U, jeweils von Mittwoch auf Donnerstag und vierzehntägig am Wochenende. U hat seit Februar 2019 den Kindergarten besucht. Er hat dort einen Platz von 7.00 Uhr bis 16.00, wobei der Besuch innerhalb der ersten 6 Monate nur langsam gesteigert werden konnte und U meistens gegen 14.00 Uhr abgeholt wurde. Er litt auch häufig unter Krankheiten, die einen Kindergartenbesuch nicht ermöglichten.

Die Antragsgegnerin hat eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin. Sie verfügt nicht über einen Führerschein. Vor der Geburt des Sohnes hat sie in einem Krankenhaus gearbeitet und im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung einen Nettoverdienst von 1.000 EUR erzielt. Ab Mai 2019 hat sie sich bei vier Arbeitgebern beworben und ab 01.08.2019 für ca. 6 Monate auf 450-EUR-Basis gearbeitet. Sie hat hierbei häusliche Betreuungsleistungen für einen Pflegedienst erbracht. Seit Beendigung dieser Tätigkeit ist sie nicht erwerbstätig. Sie bezieht Leistungen nach SGB II. Auf den Sozialleistungsträger übergegangene Unterhaltsansprüche sind der Antragsgegnerin zurückübertragen worden. Auf Bl. 152 der beigezogenen Akte 8 UF 139/19 wird Bezug genommen.

Der Antragsteller ist gelernter Industriekaufmann. Er ist seit längerem als sog. Promoter selbstständig und vermittelt v.a. Verträge für Telefongesellschaften. Hierfür erhält er über verschiedene Agenturen Aufträge und sucht dann Elektrofachgeschäfte in ..., aber auch im Raum ... auf, in denen oder vor denen er gezielt Leute anspricht und versucht, diesen Telefonverträge für die auftraggebenden Firmen zu verkaufen. Er erhält sodann Provisionszahlungen, die ab einer bestimmten Anzahl von Verträgen durch weitere Fixbeträge ergänzt werden.

Im Jahr 2018 hatte der Antragsteller ausweislich des Steuerbescheids für 2018 vom 09.01.2020 (Bl. 402 ff. d. A. 8 UF 139/19) Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb in Höhe von 32.310 EUR. Die Einkommenssteuer wurde auf 219,- EUR festgesetzt. Getilgt waren bereits 562,50 EUR, sodass 340,50 EUR im Jahr 2020 erstattet wurden. Ausweislich der Einnahmen-Überschuss-Rechnung des Antragstellers für das Jahr 2018 (Bl. 281 d. A. 8 UF 139/19) sind bei der Ermittlung des Gewinns des Antragstellers ein Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 3.228 EUR sowie ein Bewirtungsaufwand in Höhe von 545,03 EUR in Abzug gebracht worden. Laut Steuerbescheid des Antragstellers für 2017 vom 09.10.2018 (Bl. 336 d. A. 8 UF 139/19) erhielt der Antragsteller weiter eine Steuererstattung in Höhe von 4.185 EUR.

Hinsichtlich der Steuerbescheide und Einnahmen-Überschuss-Re...

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