Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Vollstreckung einer Verpflichtung zum Rückschnitt einer Bepflanzung nach § 888 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Bei dem von einer Schuldnerin vorzunehmenden Rückschnitt einer Bepflanzung handelt es sich um eine vertretbare Handlung, die grundsätzlich der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO unterliegt.

 

Normenkette

ZPO §§ 887-888

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Beschluss vom 19.12.2022; Aktenzeichen 9 O 840/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Landgerichts Hanau vom 19. Dezember 2022 - 9 O 840/21 - in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 15. März 2023 aufgehoben und der Zwangsgeldantrag der Gläubiger vom 14. April 2022 zurückgewiesen.

Die Gläubiger haben die Kosten des Zwangsgeldverfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte zu tragen.

 

Gründe

I. In der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2021 in der Sache 9 O 840/21 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen. In Ziff. 1 dieses Vergleichs hat sich die Schuldnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: die Schuldnerin) verpflichtet, "die sich über die Länge der überdachten Terrasse der Beklagten ziehende Bepflanzung auf ihrer Seite auf eine Höhe von 2,50 m zu kürzen und auf dieser Höhe zu halten". Wegen der weiteren Einzelheiten des Vergleichs der Parteien wird auf S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2021 Bezug genommen (Bl. 67 d. A.). Eine beglaubigte Abschrift des Protokolls ist der Schuldnerin am 17. November 2021 zugestellt worden (Bl. 102 d. A.).

Die Gläubiger rügen, dass die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus Ziff. 1 des Vergleichs nicht nachgekommen sei.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 14. April 2022 haben die Gläubiger beantragt,

zur Erzwingung der in dem vollstreckbaren Vergleich des Landgerichts Hanau vom 10. November 2021, Az. 4 O 840/21, unter Punkt 1: "Die Klägerin verpflichtet, die sich über die Länge der überdachten Terrasse der Beklagten ziehende Bepflanzung auf ihrer Seite auf eine Höhe von 2,50 m zu kürzen und auf dieser Höhe zu halten." ein Zwangsgeld und - für den Fall, dass dieses nicht beglichen werden kann - Zwangshaft festzusetzen.

Die Schuldnerin ist dem Antrag der Gläubiger entgegengetreten.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 19. Dezember 2022 (Bl. 173 ff. d. A.) verhängte das Landgericht gegen die Schuldnerin "zur Erzwingung der im vollstreckbaren Vergleich der Parteien vom 10. November 2021 erfolgten Verpflichtung der Schuldnerin, [...] die sich über die Länge der überdachten Terrasse der Beklagten ziehende Bepflanzung auf ihrer Seite auf eine Höhe von 2,50 m zu kürzen und auf dieser Höhe zu halten", zugunsten der Staatskasse ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 500,00, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je EUR 500,00 einen Tag Zwangshaft.

Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, dass die Schuldnerin die ihr obliegende Verpflichtung nicht erfüllt habe und diese nur von ihr selbst erfüllt werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 19. Dezember 2022 (Bl. 173 f. d. A.) verwiesen.

Gegen diesen ihrer Prozessbevollmächtigten am 12. Januar 2023 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin beim Oberlandesgericht mit Anwaltsschriftsatz vom 25. Januar 2023 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 186 ff. d. A). Zur Begründung hat die Schuldnerin u. a. darauf verwiesen, dass der geforderte Rückschnitt der Hecke, in der Vögel nisteten, eine Zerstörung der Lebensstätten wild lebender Tiere im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG - darstelle. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 25. Januar 2023 (Bl. 186 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 15. März 2023 (Bl. 197 d. A.) hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Es kann offenbleiben, ob die Gläubiger überhaupt einen wirksamen Antrag im Sinne des § 888 Abs. 1 ZPO gestellt haben. Diesbezügliche Zweifel könnten deswegen bestehen, weil der Antragsschriftsatz vom 14. April 2022 (Bl. 97 f. d. A.) keine einfache elektronische Signatur aufweist, da am Ende des Schriftsatzes lediglich das Wort "Rechtsanwalt" aufgeführt ist, jedoch nicht der Name des Prozessbevollmächtigten der Gläubiger (vgl. zu dieser Problematik etwa BAG, Beschluss vom 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 -, NZA 2020, 3476, 3476 f.; BGH, Beschluss vom 07.09.2022 - XII ZB 215/22 -, NJW 2022, 3512, 3512 f.). Allerdings haben die Gläubiger in dem mit einer einfachen elektronischen Signatur versehenen Anwaltsschriftsatz vom 17. November 2022 mitteilen lassen, dass der Antrag vom 14. April 2022 (Bl. 168 d. A.) aufrechterhalten und um eine zeitnahe Entscheidung gebeten werde. Letztendlich kommt es jedoch im Streitfall auf die Frage nicht an, ob deswegen von einem wirksamen ...

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