Leitsatz (amtlich)

Der nach dem Ergebnis der Ermittlungen gem. § 9 Abs. 2 VerschG festzustellende wahrscheinlichste Zeitpunkt des Todes kann nicht nur ein bestimmter Tag, sondern auch das Ende eines Zeitraums, der sich über mehrere Tage oder Wochen erstreckt, sein (Fortführung von BGHZ 9, 135).

 

Verfahrensgang

AG Kassel (Beschluss vom 09.07.2013)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Kassel vom 9.7.2013 wird bezüglich der Feststellung des Zeitpunkts des Todes der Verschollenen und bezüglich der Kostenentscheidung geändert. Als Zeitpunkt des Todes der Verschollenen wird der 30.9.2006, 24.00 Uhr festgestellt. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller fallen dem Nachlass der Verschollenen zur Last.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 38 400 EUR festgesetzt.

Die öffentliche Bekanntmachung dieses Beschlusses wird angeordnet.

 

Gründe

I. Die Verschollene wohnte zuletzt in O1 in einer Wohnung in einem Zweifamilienhaus, in dem auch ihr Bruder zusammen mit seiner Ehefrau lebte. Die Verschollene war verwitwet. Sie bezog von der Antragstellerin zu 1 eine Altersrente und von der Antragstellerin zu 2 eine Witwenrente. Sie litt an Parkinson und einer leichten Altersdemenz. Seit dem 27.7.2006 wurde sie wegen einer Durchfallerkrankung in der Klinik O2 behandelt. Im Krankenhaus wirkte sie geschwächt, sehr verwirrt und hilflos. Am 9.8.2006 meldete ein Arzt der Klinik O2 der Polizeistation O2, dass die Verschollene, die am nächsten Tag habe entlassen werden sollen, seit 15.00 Uhr aus der Station II verschwunden sei. Aufgrund des Krankheitsbildes bestehe keine Lebensgefahr, es bestehe jedoch wegen der deutlich aufgetretenen Verwirrtheit eine Eigengefährdung. Sanitäter des Krankenhauses hätten dieses und die nähere Umgebung schon erfolglos abgesucht. Auf die Vermisstenmeldung hin durchsuchten zwei Polizeibeamte nochmals erfolglos die nähere Umgebung um die Klinik. Um 19.20 Uhr durchsuchten nochmals vier Polizeibeamte den Nahbereich um das Krankenhaus. Um 20.10 Uhr wurde die Freiwillige Feuerwehr O2 zur Personensuche angefordert. Bis zum Abbruch der Personensuche um 23.20 Uhr wurde die weitere Umgebung um das Krankenhaus durch Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr abgesucht. Die zusätzlich angeforderte Rettungshundestaffel der Polizei begann gegen 21.45 Uhr mit sieben Hunden eine Absuche des ... bergs und des unmittelbaren Bereiches um das Krankenhaus. Die Suche wurde um 0.35 Uhr eingestellt, ohne dass die Verschollene aufgefunden werden konnte. Die Suche nach der Verschollenen wurde am 10.8.2006 weitergeführt. Neben Einsatzkräften der Freiwilligen Feuerwehr O2 und der Bereitschaftspolizei wurden wiederum die Rettungshundestaffel und zusätzlich ein Hubschrauber mit einer Wärmebildkamera eingesetzt. Die Suche blieb ebenso wie ein Aufruf an die Öffentlichkeit erfolglos. In einem Bericht vom 21.8.2006 kam die Diensteinsatzgruppe der Polizeistation O2 zu dem Ergebnis, dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Verschollene nicht mehr lebend aufgefunden werden könne. Die Polizeistation O2 gab daraufhin den Vorgang an die Kriminaldirektion ... beim Polizeipräsidium O3 ab. Die Kriminaldirektion ... beim Polizeipräsidium O3 hielt in einem Vermerk vom 29.8.2006 fest, dass die Umstände den dringenden Schluss zuließen, dass die Verschollene nicht mehr am Leben sei und wahrscheinlich nur noch tot aufgefunden werden könne. Mit Beschl. v. 30.8.2007 - 712 VIII 135/07 B - bestellte das AG Kassel die Antragstellerin zu 3, die Tochter der Verschollenen, zur Abwesenheitspflegerin.

Mit Schreiben vom 2.1.2012, eingegangen am 10.1.2012, beantragte die Antragstellerin zu 1 beim AG Kassel, den Tod der Verschollenen festzustellen. Die Antragstellerin zu 1 gab in dem Schreiben an, seit dem 1.9.2006 Rente an die Abwesenheitspflegerin zu zahlen. Mit Schreiben vom 11.1.2012, das am 16.1.2012 beim AG Kassel einging, beantragte die Antragstellerin zu 2 den Tod der Verschollenen festzustellen und den 9.8.2006 als Todestag zu bestimmen. Die Antragstellerin zu 2 gab in ihrem Antrag die Personenstandsdaten der Verschollenen als der Hinterbliebenen ihres Versicherten sowie die Personenstandsdaten des am ... 1928 geborenen und am ... 1984 verstorbenen Ehemanns der Verschollenen an. Die Antragstellerin zu 3 beantragte mit Schriftsatz vom 10.2.2012, die Verschollene für tot zu erklären und beantragte mit Schriftsatz vom 29.3.2012, den Todeszeitpunkt auf den 31.12.2011 festzulegen. Zur Begründung ihres Antrags, den Todeszeitpunkt auf den 31.12.2011 festzulegen, führte sie an, dass sich kein Todeszeitpunkt feststellen lasse, der nach dem Ergebnis der Ermittlungen als wahrscheinlich anzunehmen sei. Die Verschollene sei nicht lebensgefährlich erkrankt gewesen. Die Verschollene sei wegen einer Darminfektion in dem Krankenhaus behandelt worden. Sowohl die Darminfektion als auch die vorhandene Altersdemenz seien jedoch medikamentös eingestellt gewesen. Damit sei die Verscholl...

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