Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit eines Antrags auf Einstellung der Vollstreckung in Unterhaltssachen

 

Leitsatz (amtlich)

In Unterhaltssachen ist ein Antrag auf Einstellung der Vollstreckung nach § 64 Abs. 3 FamFG unzulässig, wenn der Schuldner es versäumt hat, erstinstanzlich einen Antrag nach § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG zu stellen und die Gründe hierfür bereits erstinstanzlich hätten vorgebracht werden können.

 

Normenkette

FamFG § 64 Abs. 3, § 120 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Der Antrag wird verworfen.

 

Gründe

Das AG Friedberg hat in seiner angefochtenen Entscheidung Unterhaltsansprüche der Antragstellerin zu 1), des minderjährigen Kindes ... und des volljährigen Antragstellers zu 2) tituliert.

Hiergegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt.

Er beruft sich darauf, dass das AG sein Nettoeinkommen und das der Antragstellerin zu 1) unzutreffend ermittelt habe, dass ihm Fahrtkosten mit dem privaten PKW und Beiträge zu einer zusätzlichen Altersvorsorge anzuerkennen seien und dass bei der Bedarfsermittlung hinsichtlich des Trennungsunterhalts die Kindesunterhaltszahlungen an die studierende Tochter des Antragsgegners und der Antragstellerin zu 1) zu berücksichtigen seien.

Ferner erhebt er die Einrede der Verwirkung.

Der Antragsgegner begehrt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, insbes. hinsichtlich des titulierten Unterhaltsrückstands i.H.v. insgesamt 2.949,60 EUR.

Ein unersetzbarer Nachteil entstehe ihm dadurch, dass ihm nach Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses von seinem Verdienst nur noch 877,96 EUR ausgezahlt wurden, so dass er den Unterhalt der volljährigen Tochter und die Erfüllung eigener Zahlungsverpflichtungen nicht mehr sicherstellen könne. Desweiteren sei zu befürchten, dass die Antragstellerin zur Rückzahlung nicht in der Lage sei.

Der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unzulässig, da der Beschwerdeführer in der ersten Instanz keinen Antrag auf Vollstreckungsschutz nach § 120 Absatz 2 Satz 2 FamFG gestellt hat.

Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Beschluss des Familiengerichts kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn der Unterhaltsschuldner es versäumt hat, im erstinstanzlichen Verfahren einen Schutzantrag nach § 120 Absatz 2 Satz 2 FamFG zu stellen, es sei denn, die Gründe, auf die der Einstellungsantrag gestützt wird, lagen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht noch nicht vor oder konnten aus anderen Gründen nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht werden.

Insofern folgt der Senat hier den Grundsätzen, die der BGH in ständiger Rechtsprechung zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung im Revisionsverfahren aufgestellt hat.

Danach kommt eine Einstellung der Vollstreckung nach § 719 Absatz 2 ZPO regelmäßig nicht in Betracht, wenn der Schuldner, der sich auf nicht zu ersetzende Nachteile als Folge einer Vollstreckung berufen will, im Berufungsrechtszug einen Schutzantrag gem. § 712 ZPO nicht gestellt hat. Denn da dort über einen solchen Antrag regelmäßig erst nach mündlicher Verhandlung und zumindest nach Gewährung des rechtlichen Gehörs für den Vollstreckungsgläubiger befunden wird, bietet der Antrag aus § 712 ZPO - der ähnlichen Voraussetzungen unterliegt wie der Antrag aus § 719 Absatz 2 ZPO - für den Gläubiger die größere Gewähr, dass auch seine Interessen angemessen berücksichtigt werden.

Die Berücksichtigung der Gläubigerinteressen ist in besonderem Maße bei titulierten Unterhaltsansprüchen von Bedeutung, da die Vollstreckungsmöglichkeiten aus Titeln, welche regelmäßig den Lebensunterhalt des Gläubigers sicherstellen, mit der Regelung des FamFG gestärkt werden sollen. Der Gesetzgeber hat insoweit nicht das im Zivilprozess herrschende System der vorläufigen Vollstreckbarkeit übernommen, sondern durch § 116 Absatz 3 Satz 3 FamFG die sofortige Wirksamkeit von Unterhaltstiteln wegen deren besonderer Bedeutung zur Sicherung des Lebensbedarfs zum Regelfall erklärt (OLG Hamm, Beschluss vom 07.09.2010, 11 UF 155/10).

Auch wenn § 712 ZPO in familiengerichtlichen Verfahren nach dem FamFG nicht mehr zur Anwendung kommt, ist die bisher zu § 712 ZPO ergangene Rechtsprechung auch auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 120 Absatz 2 FamFG, der der Regelung des § 62 Absatz 1 ArbGG nachempfunden ist, übertragbar.

Die Interessenlage ist in allen Fällen vergleichbar. Die §§ 712 ZPO, 62 Absatz 1 Satz 2 ArbGG und 120 Absatz 2 Satz 2 FamFG gewähren dem jeweiligen Schuldner die Möglichkeit, bei drohenden nicht zu ersetzenden Nachteilen die Vollstreckbarkeit schon im jeweiligen Titel zu begrenzen.

Die Konsequenz der Rechtsprechung des BGH besteht darin, dass das Vorhandensein eines nicht zu ersetzenden Nachteils möglichst schon im erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren und nicht erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung geprüft wird (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.08.2007, 15 Sa 1630/07).

Soweit das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg seine Rechtsprechung durch Beschluss vom 6.1.2009 zu 15 Sa 231...

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