Entscheidungsstichwort (Thema)

Angemessene Abfindung nach § 327b AktG (Betafaktor)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Barwert der Ausgleichszahlung bezogen auf den Bewertungszeitpunkt stellt neben dem Börsenkurs eine weitere Untergrenze der angemessenen Abfindung nach § 327b AktG dar.

2. Bei einem börsennotierten Unternehmen ist zur Ableitung des künftigen systematischen Risikos der Gesellschaft grundsätzlich der historische unternehmensindividuelle Betafaktor heranzuziehen, wenn dieser verlässlich ermittelt werden kann und zugleich seine zeitliche Stabilität in der Zukunft zu erwarten ist.

 

Normenkette

AktG § 327b; SpruchG § 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 22.07.2014; Aktenzeichen 3-05 O 277/07)

 

Tenor

Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 3), 24), 25), 42), 43), 47), 48), 55), 71), 72), 73), 74), 78), 79) und 80) sowie der Antragsgegnerin

gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom

22. Juli 2014 werden dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe

A. Es handelt sich um ein Spruchverfahren nach einem Squeeze out und hierbei um ein Folgeverfahren des vormals beim Senat anhängigen Verfahrens betreffend die Angemessenheit der Abfindung nach dem Abschluss eines Unternehmensvertrags mit der X AG als beherrschter Gesellschaft (AG 2014, 822).

Die Antragsteller waren Aktionäre der X AG. Das Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von damals 67.517.346 EUR war in 44.135.676 auf den Inhaber lautende Stammaktien und 23.381.670 auf den Inhaber lautende stimmrechtslose Vorzugsaktien eingeteilt. Unternehmensgegenstand der Gesellschaft war die Herstellung von chemischen, pharmazeutischen und kosmetischen Waren; die Herstellung und der Vertrieb von Apparaten, Geräten und Maschinen aller Art sowie Kunststofferzeugnissen, die Herstellung und der Vertrieb von Einrichtungen und Einrichtungsgegenständen sowie der Betrieb eines allgemeinen Ein- und Ausfuhrgeschäfts. Eingeteilt war der Konzern, der zu den größten international tätigen Anbietern für Haarkosmetikprodukte und Parfum zählte, in einen Geschäftsbereich Frisör, einen Bereich Consumer sowie einen Bereich Kosmetik und Duft. Das Geschäftsjahr der X AG begann am 1. Juli eines Kalenderjahres und endete am 30. Juni des nachfolgenden Jahres, wobei vom 1. Januar 2004 bis zum 30. Juni 2004 zur Umstellung auf den vorstehend genannten Geschäftsjahreszyklus ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet wurde.

Am 17. März 2003 schlossen die auf die Gründerfamilie zurückgehenden Familienaktionäre und eine Gesellschaft der Y Gruppe einen Vertrag über den direkten und indirekten Erwerb von 34.235.192 Stammaktien der X AG (ca. 77,57 % der Stammaktien), der nach der Erteilung der Kartellrechtsfreigabe am 2. September 2003 vollzogen wurde. Am 28. April 2003 veröffentlichte die Y1 GmbH ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot an die Aktionäre der Gesellschaft. Dabei bot die Y1 GmbH den Inhabern von Stammaktien je Aktie einen Preis von 92,25 EUR und den Inhabern von Vorzugsaktien je Aktie einen Preis von 65 EUR. Das Übernahmeangebot wurde am 10. September 2003 vollzogen. Im Rahmen des Übernahmeangebots erwarb die Y1GmbH weitere 9.053.768 Stammaktien sowie 10.167.531 Vorzugsaktien.

Die Antragsgegnerin und die X AG schlossen sodann am 26. April 2004 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Hierin war eine jährliche Nettoausgleichszahlung in Höhe von 3,81 EUR je Stammaktie und in Höhe von 3,83 EUR je Vorzugsaktie vorgesehen. Ferner wurde eine für beide Aktiengattungen einheitliche Barabfindung für außenstehende Aktionäre in Höhe von 72,86 EUR vereinbart. Dem Vertrag stimmte die Hauptversammlung der X AG am 8. Juni 2004 zu. Der Beschluss wurde daraufhin am 9. Juni 2004 ins Handelsregister eingetragen. Die gewährten Kompensationszahlungen waren zwischenzeitlich Gegenstand eines vormals beim Senat unter dem Aktenzeichen 21 W 15/11 anhängigen Spruchverfahrens. Mit rechtskräftiger Entscheidung vom 28. März 2014 setzte der Senat die Barabfindung je Vorzugsaktie auf 74,83 EUR und je Stammaktie auf 88,08 EUR fest. Ferner erhöhte der Senat die jährliche Ausgleichszahlung je Vorzugsaktie auf 4,24 EUR und je Stammaktie auf 4,22 EUR (AG 2014, 822).

In zeitlichem Nachgang zu dem Abschluss des Unternehmensvertrages, dessen Kündigung zum Bewertungszeitpunkt nicht beabsichtigt war (vgl. Übertragungsbericht S. 60), schied die Gesellschaft am 20. September 2004 aus dem MDAX aus.

Im weiteren Verlauf beabsichtigte die Antragsgegnerin den Ausschluss der Minderheitsaktionäre der X AG aus der Gesellschaft und teilte ihre Absicht am 8. September 2005 der Öffentlichkeit mit. Der gewichtete, unbereinigte durchschnittliche Börsenkurs drei Monate vor diesem Zeitpunkt belief sich den Feststellungen des Landgerichts zufolge für Vorzugsaktien auf 80,41 EUR und für Stammaktien auf 81,63 EUR (Bl. 1743, 1811 d. A.). Der von der BaFin ermittelte umsatzgewichtete Durchschnittskurs der X AG betrug für Vorzugsaktien 80,39 EUR und für Stammaktien 81,56 EUR (vgl. Bl. 3419 d. A.).

Zum Zweck des beabs...

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