Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinserteilung. Testament

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Anfechtung ist dann nach § 2079, 2 BGB ausgeschlossen, wenn die letztwillige Verfügung dem Willen entspricht, den der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls hatte. Zur Erforschung dieses Willens kann insbesondere auch der Umstand herangezogen werden, dass der Erblasser das Testament geflissentlich, d.h. absichtlich hat weiter bestehen lassen, nachdem er vom Erbrecht des Pflichtteilsberechtigten konkrete Kenntnis erlangt hatte.

2. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist eine Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe für Beschwerdeverfahren nicht statthaft.

 

Normenkette

BGB §§ 2079, 2079 S. 2; FGG § 14; ZPO § 567 Abs. 3, § 567 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 17.10.1994; Aktenzeichen 5 I 760/94)

AG Lampertheim (Beschluss vom 15.06.1994; Aktenzeichen VI C 8/92)

 

Tenor

Die weiteren Beschwerden werden zurückgewiesen.

Die Beschwerden werden als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben die den Beteiligten zu 4) bis 6) im Verfahren der weiteren Beschwerde etwa entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde und der des landgerichtlichen Beschwerdeverfahrens – insoweit unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses vom 17. Oktober 1994 – wird für jede drei Erstbeschwerden und der drei weiteren Beschwerden auf 62.980,67 DM festgesetzt.

 

Gründe

Wegen des Sachverhalts wird auf dessen Darstellung in den Gründen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Die zulässigen weiteren Beschwerden sind in der Sache nicht begründet.

Die Ansicht des Landgerichts, daß die Beteiligte zu 4) zur Anfechtung des Testaments vom 7.11.1986 berechtigt (§§ 2080 Abs. 1 und 3, 2302 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 BGB), die Anfechtung von ihr form- und fristgerecht erklärt (§§ 2081 Abs. 1, 2082 Abs. 1 BGB) und sachlich begründet ist, hält jedenfalls im Ergebnis der im Verfahren der weiteren Beschwerde allein möglichen rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 550 ZPO) stand.

Gemäß § 2079 S. 1 BGB kann eine letztwillige Verführung u. a. dann angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, erst nach der Errichtung der Verfügung pflichtteilsberechtigt geworden ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Denn der Erblasser hat die Beteiligte zu 4) übergangen, weil er im Testament vom 7.11.1986 keine Regelung für den Fall einer Wiederverheiratung getroffen, der Beteiligten zu 4) nichts zugewendet hat und sie im Testament nicht von der Erbfolge ausschließen wollte (Palandt/Edenhofer BGB 54. Aufl. § 2079 Rn. 3). Die Beteiligte zu 4) wurde durch die Eheschließung vom 21.6.1990 pflichtteilsberechtigt. Diesen Umstand konnte dem Erblasser bei der Errichtung des Testaments vom 7.11.1986 nicht bekannt sein.

Da nach § 2079 BGB die Anfechtung grundsätzlich das ganze Testament ergreift, führt die begründete Anfechtung in aller Regel auch zur Nichtigkeit des gesamten Testaments (§ 142 Abs. 1 BGB; BayObLGZ 1971, 147/151; BayObLGZ 1975, 6/9; BayObLGZ 1980, 42/49 BayObLG FamRZ 1985, 534/535; Palandt/Edenhofer aaO § 2079 Rn. 7). Sie ist nach § 2079 S. 2 BGB nur ausgeschlossen, soweit anzunehmen ist, daß der Erblasser die Verfügung auch bei Kenntnis der Sachlage getroffen haben würde. Liegt sonach der Tatbestand des § 2079 S. 1 BGB vor und ist die Anfechtung form- und fristgerecht erklärt worden, so wird die Ursachlichkeit zwischen Irrtum des Erblassers und angefochtener Verfügung vermutet. Den Anfechtungsgegner, nämlich der durch den Wegfall der letztwilligen Verfügung Betroffene trägt – bei nach ausreichenden Ermittlungen (§ 12 FGG) noch verbleibenden Zweifeln – die Feststellungslast (materielle Beweislast) dafür, daß der Erblasser genauso testiert hätte, wenn er vorausgesehen hätte, es werde noch ein Pflichtteilsberechtigter eintreten (BGH LM BGB § 2079 Nr. 1 = DNotZ 1954, 272; Senat in 20 W 124/86 vom 11.11.1986; BayObLG FamRZ 1985, 534/535; BayObLGZ 1989, 116/120 = NJW-RR 1989, 1090: OLG Hamburg FamRZ 1990, 910/912; Palandt/Edenhofer aaO Rn. 6, Erman/Schmidt BGB 9 Aufl. Rn. 7, je zu § 2079). Davon ist das Landgericht zutreffend ausgegangen.

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 2079 S. 2 BGB vorliegen, kommt es auf den zu ermittelnden hypothetischen Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung an (BGHZ BC, 293 = NJW 1981, 1735; BayObLGZ 1989, 116/119 = aaO; Erman/Schmidt aaO § 2079 Rn. 4). Da sich feste Regeln hierfür nicht aufstellen lassen, sind alle erheblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Im allgemeinen wird die Anfechtung dann nicht durchgreifen, wenn die letztwillige Verfügung dem Willen entspricht, den der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls gehabt hat (Johannsen WX 1972, 642/648). Zur Erforschung dieses Willens kann insbesondere auch der Umstand herangezogen werden, daß der Erblasser das Testament geflissentlich, d....

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