Leitsatz (amtlich)

Allein aus dem Umstand, dass der Verletzte während der Berufungsinstanz im einstweiligen Verfügungsverfahren Hauptsacheklage einreicht, ergibt sich noch nicht, dass die Klage rechtsmissbräuchlich ist.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 1004

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-3 O 769/06)

 

Gründe

I. Der Kläger wurde 1993 zusammen mit seinem Halbbruder ... wegen Mordes an dem bundesweit bekannten Schauspieler A zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Beklagte verlegt die Zeitung "...". Sie berichtete Anfang Mai 2006 in ihrer Online-Ausgabe unter namentlicher Nennung der Klägers und seines Halbbruders über von diesen gestellte Anträge auf vorzeitige Haftentlassung. Später änderte sie die Berichterstattung dahin ab, dass sie die Namen der beiden Verurteilten nicht mehr nannte. Auf Abmahnung des ... gab sie diesem gegenüber eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Gegenüber dem Kläger tat sie dies trotz Abmahnung nicht. Der Kläger erwirkte daraufhin beim LG Frankfurt/M. eine einstweilige Verfügung, die auf Widerspruch der Beklagten hin durch Urteil vom 5.10.2006 bestätigt wurde. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein. Am 20.11.2006 hat der Kläger ein Prozesskostenhilfegesuch mit Klageentwurf für die vorliegende Unterlassungsklage eingereicht. Die Berufung der Beklagten im Eilverfahren wies der Senat durch Urteil vom 8.5.2007 (Az.: 11 U 63/06) zurück. Daraufhin gab die Beklagte am 6.7.2007 bezüglich der einstweiligen Verfügung eine Abschlusserklärung ab. Im Hinblick darauf haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II. Die sofortige Beschwerde gegen den nach § 91a ZPO ergangenen Kostenbeschluss ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Erklären die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, ist über die Kostentragung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 91a ZPO). Das LG hat zutreffend entschieden, dass die Kosten hier der Beklagten aufzuerlegen sind, weil sie ohne das erledigende Ereignis im Rechtsstreit unterlegen gewesen wäre.

Der mit der Klage verfolgte Unterlassungsanspruch ist bis zur Abgabe der Abschlusserklärung begründet gewesen. Die identifizierende Berichterstattung über den Kläger war unzulässig. Die Wiederholungsgefahr war weder durch die freiwillige Beseitigung der Namensnennung noch durch die Unterlassungserklärung ggü. dem Mitverurteilten entfallen. Insoweit ist auf den angefochtenen Beschluss sowie das Urteil des Senats vom 8.5.2007 im einstweiligen Verfügungsverfahren zu verweisen.

Die Beklagte beanstandet dies mit ihrem Rechtsmittel auch nicht, sondern wiederholt ihren erstinstanzlichen Einwand, die Klage sei von Anfang mutwillig und nicht erforderlich gewesen. Der Kläger sei durch die einstweilige Verfügung gegen eine Wiederholung der beanstandeten Berichterstattung gesichert gewesen. Eines zeitgleich eingeleiteten Hauptsacheverfahrens habe es nicht bedurft.

Dieser Einwand der Beklagten ist nicht berechtigt. Grundsätzlich besteht für eine Unterlassungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis auch dann, wenn der Unterlassungsgläubiger bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, da die einstweilige Verfügung nur vorläufigen Rechtsschutz gewährt (BGH GRUR 1973, 384; 1989, 115; Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 13 UWG Rz. 2.17). Demgemäß kann es nicht per se rechtsmissbräuchlich oder mutwillig sein, wenn der Gläubiger eine solche Klage erhebt, obwohl er bereits mit der einstweiligen Verfügung einen Vollstreckungstitel in Händen hat.

Allerdings wird es im Wettbewerbsrecht bei der Prüfung, ob die Geltendmachung von Abwehrrechten wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig ist (§ 8 Abs. 4 UWG), als ein auf einen Missbrauch deutender Umstand angesehen, wenn der Unterlassungsgläubiger neben dem Verfügungs- ohne sachliche Notwendigkeit (z.B. zur Abwendung der drohenden Verjährung) ein Hauptsachverfahren einleitet, ohne abzuwarten, ob der Schuldner die einstweilige Verfügung in einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung akzeptiert (z.B. BGH GRUR 2001, 78, 79 - Irreführende Werbung über Elektronikartikel; GRUR 2002, 715, 176 - Scanner-Werbung; OLG Nürnberg GRUR-RR 2004, 336 - Verfahrensdurchführung; OLG Frankfurt WRP 2007, 556 - Fehlende Klageveranlassung; Köhler/Bornkamm, § 8 UWG Rz. 4.18).

Diese Einschränkung der Verfolgbarkeit des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs nach § 8 Abs. 4 UWG gilt jedoch für den hier erhobenen Unterlassungsanspruch aufgrund des allgemeinen Deliktsrechts (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB) weder unmittelbar noch analog. Die Klageerhebung wegen Rechtsverletzungen unterliegt nur dem allgemeinen prozessrechtlichen Verbot des Rechtsmissbrauchs, wobei die zu § 13 Abs. 5 UWG a.F.bzw. § 8 Abs. 4...

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