Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen Parteivereinbarungen

 

Normenkette

ZPO § 1059

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.06.2011; Aktenzeichen 26 Sch 13/10)

BGH (Aktenzeichen III ZB 8/11)

 

Tenor

Der in der Schiedssache der Parteien -.../07 - von dem Schiedsgericht, bestehend aus Herrn Prof. A (Vorsitzender des Schiedsgerichts), Herrn Prof. Dr. B und Herrn Dr. C (parteibenannte Schiedsrichter) am 19.03. 2010 erlassene Schiedsspruch wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 210.658.362 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung eines Schiedsspruches, mit dem sie zum Schadensersatz wegen Vertragsverletzung verurteilt wurde.

Die Antragstellerin ist eine Konzerngesellschaft eines nordamerikanischen Automobilzulieferers. Anfang des letzten Jahrzehnts beschloss sie, ihre bis dahin auf den nordamerikanischen Markt beschränkte Geschäftstätigkeit auszuweiten und neue geographische Märkte zu erschließen. Vor diesem Hintergrund interessierte sich die Antragstellerin Mitte 2003 für den Erwerb der X GmbH (nachfolgend: X), die wie die Antragstellerin Kunststoffteile für die Automobilindustrie produzierte. Deren Muttergesellschaft war die X1 AG, die ihrerseits eine Tochtergesellschaft der damals noch als k ag firmierenden Antragsgegnerin war.

Nachdem die Antragstellerin mehrere Angebote abgegeben hatte, schlossen die Parteien am ... 2004 vor einem Notar in O1 (Schweiz) ein Sale & Purchase Agreement (nachfolgend: SPA), in dem die Bedingungen für die Übertragung der Geschäftsanteile an der X im Einzelnen festgelegt wurden. Die von der Antragstellerin zu erbringenden Gegenleistung wurde in Ziff. 5 des SPA geregelt. Danach war unter Zugrundelegung eines Unternehmenswertes von 370.000.000 EUR als Kaufpreis für die Übertragung der Geschäftsanteile sowie der Rechte und Pflichten unter dem Fiduciary Agreement insgesamt ein Betrag von 197.844.000 EUR vorgesehen (Ziff. 5 Abs. 1 SPA). Darüber hinaus sollte die Antragstellerin einen Ausgleich für die sog. Internen finanziellen Verbindlichkeiten (Internal Financial Debt) zahlen, d.h. sämtliche Verpflichtungen der X gegenüber der Antragsgegnerin und den mit ihr verbundenen Gesellschaften ablösen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung dieser Verbindlichkeiten sollte das Datum des Vertragsvollzuges, das sog. Closing sein. Der zu diesem Zeitpunkt vorläufig festgestellte Wert der Internen finanziellen Verbindlichkeiten sowie der Kaufpreis sollten auf ein Treuhandkonto eingezahlt werden und Gegenstand einer späteren vorzunehmenden endgültigen Festlegung der zu erbringenden Zahlung sein (Ziff. 5 Abs. 2 SPA). Darüber hinaus wurden in dem SPA weitere Verhaltensmaßnahmen der Parteien für die Zeit bis zum Vollzug des Vertrages vereinbart. Danach war die Antragsgegnerin insbesondere verpflichtet, die Geschäfte der X unverändert im üblichen Geschäftslauf fortzuführen (Ziff. 8 Abs. 3 (a) i.V.m. Ziff. 18 Abs. 2 SPA). In einem Anhang zu diesen Bestimmungen waren einzelne Handlungen und Maßnahmen aufgeführt, derer sich die Antragsgegnerin im Zeitraum zwischen der Unterzeichnung des Vertrages und dessen Vollzug enthalten sollte. Damit sollte letztlich gewährleistet werden, dass die Antragsgegnerin keine Handlungen vornimmt, die in diesem Zeitraum zu einer überraschenden Änderung der Internen finanziellen Verbindlichkeiten und damit zu einer Erhöhung des Kaufpreises führen würde.

Schließlich vereinbarten die Parteien unter Ziff. 28 des SPA eine Schiedsklausel, nach der alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem SPA durch ein Schiedsgericht nach den Regeln des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) entschieden werden sollte. Ferner enthält das SPA in Ziff. 26 Abs. 2 eine Schriftformklausel, nach der jede Änderung des Vertrages nur wirksam sein soll, wenn sie schriftlich erfolgt.

Nach der Unterzeichnung des SPA kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, die schließlich dazu führten, dass der Vertrag nicht vollzogen wurde. Die Antragsgegnerin hatte nach Ansicht der Antragstellerin unter Verstoß gegen die vereinbarte "Ordinary Course of Business"-Klausel massiv auf die Finanzstruktur der X eingewirkt, indem sie die bestehenden Leasing-Verträge unzutreffend eingeordnet und damit auch falsch bilanziert habe, das bei X bestehende Factoring-Modell verändert habe und schließlich mit einem vermeintlichen Darlehen über 50 Mio EUR gegen Forderungen von X aus dem Factoring aufgerechnet habe. Diese Manipulationen der Antragsgegnerin hätten zu einer Erhöhung der Internen finanziellen Verbindlichkeiten und damit letztlich zu einer Erhöhung des Gesamtkaufpreises von ursprünglich 253 Mio EUR auf mindestens 352 Mio EUR geführt.

Unter Hinweis auf weiteren Aufklärungsbedarf hatte die Antragstellerin versucht, eine Verschiebung des Closings zu erreichen. Die Antragsgegnerin war jedoch weder zu weiteren Informationen noch zu einer ...

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