Leitsatz (amtlich)

Ein Arzt, der auf dem Weg zu einem Patienten die Geschwindigkeit überschreitet, statt den Rettungsdienst zu informieren, kann sich nicht auf die Annahme einer notstandsähnlichen Situation berufen.

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 16 Js 88946. 9/00-2014)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße von 200, - DM verhängt. Ihm wird ferner untersagt, für die Dauer eines Monats Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit

Rechtskraft dieses Beschlusses (15. März 2000).

Der Betroffene hat die Kosten der Rechtsbeschwerde einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen.

Zusätzlich angewendete Vorschrift: 25 StVG.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 400, - DM festgesetzt. Die Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main rügt mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde die Nichtverhängung eines Fahrverbots. Das von der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main nicht vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

II.

Nach den Feststellungen hat der Betroffene als Führer des PKW F-. . . am 21. Juli 2000 um 22. 46 Uhr auf der A. in F. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h unter Berücksichtigung einer Meßtoleranz von 3 km/h um 32 km/h überschritten. Den Verzicht auf die Anordnung eines Fahrverbots unter Erhöhung der Geldbuße hat das Amtsgericht im wesentlichen wie folgt begründet:

"Der Betroffene hat sich wie folgt eingelassen: Er sei Lungenarzt, der Patient G. G. sei seit 12 Jahren in seiner ärztlichen Behandlung, leide unter Asthma. , Er - Betroffener - müsse öfter Hausbesuche machen. An dem Tage, einen Freitag, sei er in der R. allee gewesen. Das Handy habe geklingelt, die Frau des Patienten G. habe angerufen: Ihrem Mann gehe es sehr schlecht, er bekomme schlecht Luft, habe einen Asthmaanfall. Er - Betroffener -sei von der R. allee sofort losgefahren, in Eile, es sei alles frei gewesen, er haben niemanden gefährdet. Gegen 23. 00 Uhr sei er bei dem Patienten gewesen, habe ihm ein Mittel gespritzt. Der -Patient sei ein schwerkranker Mann, -er - Betroffener - habe es als seine Pflicht angesehen, dem Patienten in der Not zu helfen. Er habe immer seinen Arztkoffer dabei. Einen Notarztwagen habe er nicht gerufen, da er den Patienten seit langer Zeit kenne und wisse, worauf es ankomme. Er habe dem Patienten mehrere Spritzen gegeben, habe schnell bei ihm sein wollen. Er sei auf das Auto angewiesen, weil er als Arzt oft Hausbesuche machen müsse.

Die Rechtsfolgen ergeben sich aus §§ 24, 25 StVG in Verbindung mit §§ 1, 2 BKatV in Verbindung mit Nummer 5. 3 des Bußgeldkataloges in Verbindung mit der in Bezug genommenen Tabelle la, Buchstabe c), laufende Nr. 5. 3. 3. Geldbuße in Höhe von 200, - DM, zusätzlich das einmonatige Fahrverbot.

Gegen den Betroffenen wurde die angemessene Geldbuße in Höhe von 400, - DM festgesetzt (§ 2 Abs. 4 BKatV).

Das Fahrverbot mußte selbstverständlich in Wegfall kommen, der Betroffene handelte in einer notstandsähnlichen Situation, angesichts der von dem Betroffenen und seinem Patienten glaubhaft geschilderten Umstände kann dem Betroffenen keineswegs der Vorwurf der "groben oder beharrlichen Verletzung der. Pflichten eines, Kraftfahrzeugführers". gemacht werden. "

III.

Die nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und ebenso. begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Rechtsbeschwerde ist der Schuldspruch rechtskräftig. Wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot wird der Rechtsfolgenausspruch von der Rechtsbeschwerde allerdings in vollem Umfang erfaßt. Der Rechtsfolgenausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend geht das Amtsgerichts zunächst davon aus, daß die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BKatV i. V. m. Nr. 5. 3. 3. der Tabelle 1c des Anhangs umschriebenen Voraussetzungen für die Anordnung eines sog. Regelfahrverbots gegeben sind. Die Erfüllung dieses Tatbestands indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. l S. 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, daß es regelmäßig er Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf (vgl. BGHSt 38, 125, 134). Die Regelungen des § 2 Abs, 1, 2 BKatV sind verfasssungsgemäß (vgl. BVerfG NJW 1996, 1809).

2. Die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall von dem Fahrverbot sind nach dem festgestellten Sachverhalt nicht gegeben. .

a) Eine Minderung des sog. Erfolgsunwerts liegt nicht vor. Die Überschreitung der vorgegebenen Grenzwerte indiziert in objektiver Hinsicht die gesteigerte Gefährlichkeit des Verhaltens für die übrigen Verkehrsteilnehmer. Diese Vermutungswirkung kann nur d...

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