Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH für Scheidung nach pakistanischem Recht

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen für eine Scheidung von pakistanischen Staatsangehörigen der Religionsgemeinschaft Ahmadiyya nach staatlichem pakistanischem Scheidungsrecht.

 

Normenkette

EGBGB Art. 6, 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 17 Abs. 1 S. 1; ZPO § 114; BGB § 1565 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Offenbach (Beschluss vom 02.02.2009; Aktenzeichen 312 F 152/09)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Dem Antragsteller wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt.

Zur Wahrnehmung der Rechte wird Frau Rechtsanwältin A, O1, beigeordnet.

Die Beiordnung ist auf die Kosten zu beschränken, die bei Beauftragung eines Haupt- und eines Verkehrsanwalts entstehen würden.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Inhaber der pakistanischen Staatsangehörigkeit und gehören der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya an. Sie schlossen unter dem ...7.2000 in O2/Pakistan miteinander die Ehe. Aus der Ehe ist das Kind B, geb. am ...1.2002 hervorgegangen. Der gewöhnliche Aufenthalt der Parteien war zuletzt im Inland. Seit dem 1.10.2008 leben die Parteien dauerhaft voneinander getrennt. Der Antragsteller hat den talaq mündlich in Abwesenheit der Antragsgegnerin ausgesprochen.

Der Antragsteller begehrt mit dem vorliegenden Verfahren die Scheidung der am ... 7.2000 geschlossenen Ehe. Zugleich begehrt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung.

Die Antragsgegnerin stimmt dem Scheidungsantrag zu.

Mit Beschluss vom 2.2.2009, wegen dessen Inhalt auf Bl. 15 f. d.A. verwiesen wird, wies das AG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurück. Zur Begründung führte das AG aus, das pakistanische Scheidungsrecht könne vorliegend keine Anwendung finden, da es gem. Art. 6 EGBGB mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten offensichtlich unvereinbar sei. Der Talaq sei von den sonstigen richterlichen Tätigkeiten so wesensverschieden, dass er völlig aus dem in Deutschland dem Richter obliegenden Aufgabenkreis herausfalle.

Gegen diesen, dem Antragsteller am 25.2.2009 zugestellten Beschluss wendet sich dieser mit der Beschwerde vom 9.3.2009, bei Gericht eingegangen am 10.3.2009. Das AG half der Beschwerde aufgrund Beschlusses vom 19.3.2009 nicht ab.

II. Die nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen, unter denen einer Partei gem. §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, liegen derzeit vor.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet gem. § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn aufgrund der im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren vorzunehmenden summarischen Schlüssigkeitsprüfung kommt eine Scheidung der Ehe der Parteien nach pakistanischem Recht in Betracht.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Ehesachen zwischen Ausländern richtet sich vorliegend nach § 606a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO. Nach dem Inhalt dieser Bestimmung sind die deutschen Gerichte zuständig, wenn beide Ehegatten - wie hier - ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

Bei beiderseitigem Aufenthalt der Parteien im Inland gem. § 606a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO steht der internationalen Zuständigkeit der Gerichte auch nicht eine etwaige fehlende Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung im Heimatstaat entgegen. (vgl. BGH FamRZ 1994, 827, 828; Zöller/Geimer 27. Aufl., § 606a Rz. 46 m.w.N.)

Die Scheidung richtet sich vorliegend gem. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB nach pakistanischem Recht, denn beide Parteien sind Inhaber der pakistanischen Staatsangehörigkeit.

Dafür, dass beide Parteien asylberechtigt sind, mit der Folge, dass gem. Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention i.V.m. § 2 Abs. 1 AsylVfG deutsches Scheidungsrecht zur Anwendung gelangt, bestehen keine Anhaltspunkte.

Nach pakistanischem Scheidungsrecht kommt es hinsichtlich des anzuwendenden Rechts darauf an, ob die Parteien Moslems sind oder nicht. (vgl. OLG Köln FamRZ 2002, 1481 f. 1481; Bergmann/Ferid, internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Pakistan, 153. Lieferung, S. 25) Sind die Parteien Moslems, ist staatliches pakistanisches Scheidungsrecht zur Anwendung berufen, (OLG Köln, a.a.O.), wobei zwischen schiitischem und sunnitischen Recht zu unterscheiden ist. (Bergmann/Ferid, a.a.O.)Gemäß Art. 260 Abs. 3 der pakistanischen Verfassung gelten Ahmadis zwar nicht als Moslems, indessen sind zivilrechtliche Aspekte, insbesondere im Bereich des Familien- und Erbrechts hiervon nicht berührt, mit der Maßgabe, dass Eheschließungen der Ahmadis in ihrem religiösen Zentrum O2 - dem Ort der Eheschließung der Parteien - nach islamischen Ritus vom Staat Pakistan anerkannt werden und pakistanischem Scheidungsrecht zuzuordnen sind. (vgl. OLG Köln, a.a.O.; Be...

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