Leitsatz

Die Parteien waren beide pakistanische Staatsangehörige und gehörten der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya an. Sie schlossen am 6.7.2000 in Pakistan miteinander die Ehe, aus der ein im Jahre 2002 geborenes Kind hervorging. Der gewöhnliche Aufenthalt der Parteien war zuletzt im Inland. Seit dem 1.10.2008 lebten sie dauerhaft voneinander getrennt. Der Antragsteller hat den talaq mündlich in Anwesenheit der Antragsgegnerin ausgesprochen.

Der Antragsteller begehrte die Scheidung der Ehe. Zugleich beantragte er Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung.

Die Antragsgegnerin stimmte der Ehescheidung zu.

Das erstinstanzliche Gericht wies den PKH-Antrag zurück und führte zur Begründung aus, das pakistanische Scheidungsrecht könne vorliegend keine Anwendung finden, da es gemäß Art. 6 EGBGB mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten offensichtlich unvereinbar sei. Der talaq sei von den sonstigen richterlichen Tätigkeiten so wesensverschieden, dass er völlig aus dem in Deutschland dem Richter obliegenden Aufgabenkreis herausfalle.

Gegen diesen Beschluss wandte sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Das Rechtsmittel war erfolgreich.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Nach Auffassung des OLG bot die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers hinreichende Aussicht auf Erfolg gemäß § 114 ZPO. Aufgrund der im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren vorzunehmenden summarischen Schlüssigkeitsprüfung komme eine Scheidung der Ehe nach pakistanischem Recht in Betracht.

Nach pakistanischem Scheidungsrecht komme es hinsichtlich des anzuwendenden Rechts darauf an, ob die Parteien Moslems seien oder nicht. Seien sie Moslems, sei staatliches pakistanisches Scheidungsrecht zur Anwendung berufen, wobei zwischen schiitischem und sunnitischem Recht zu unterscheiden sei. Im vorliegenden Fall finde auf die Scheidung der Parteien nach ihrem Vortrag in dem Verfahren das Recht der hanefitischen Rechtsschule Anwendung.

Entgegen der Auffassung des AG könne eine Scheidung auch ausgesprochen werden. Dem muslimisch-pakistanischen Ehemann stehe das einseitige Recht zu, die Ehefrau ohne Gründe zu verstoßen (talaq), wobei nach sunnitischem Recht die mündliche Aussprache in Abwesenheit der Ehefrau genüge. Diese Voraussetzung sei vorliegend erfüllt. Der Antragsteller habe ggü. der Antragsgegnerin in deren Abwesenheit den talaq ausgesprochen.

Die Bestimmung des Art. 6 EGBGB stehe der Anwendung des talaq nicht entgegen. In diesem Zusammenhang komme es nicht darauf an, ob das pakistanische und das deutsche Recht auf widerstreitenden Prinzipien beruhten, sondern allein darauf, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des pakistanischen Rechts aus der Sicht des deutschen Rechts zu missbilligen sei. Letzteres sei jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Ausspruch der Scheidungsformel nach pakistanischem Recht nicht gegen den Willen der Ehefrau erfolge. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Die Antragsgegnerin sei mit der Scheidung ausdrücklich einverstanden, so dass das Ergebnis der Anwendung des talaq - die Ehescheidung - nicht gegen den ordre public verstoße.

 

Link zur Entscheidung

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11.05.2009, 5 WF 66/09

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