Leitsatz (amtlich)

1. Zum rechtlichen Interesse eines Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers, dem Rechtsstreit gegen den Versicherungsnehmer als Streithelfer beizutreten

2. Die persönliche Anhörung einer anwaltlich nicht vertretenen Partei gem. §§ 137 Abs. 4, 141 ZPO ist im Anwaltsprozess auch dann unzulässig, wenn der (anwaltlich vertretene) Streithelfer der Partei im Termin anwesend ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 66, 69, 71, 137 Abs. 4, §§ 141, 288

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen 2 O 465/07)

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1) als Halter und Fahrer eines Pkw und die Beklagte zu 2) als dessen Haftpflichtversicherer wegen eines behaupteten Unfallereignisses auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte zu 2) hat sich gegen die Klage u.a. mit der Behauptung, der Unfall sei fingiert, verteidigt. Sie ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten zu 1) als Streithelferin beigetreten. Das LG hat den anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu 1) gem. § 141 ZPO zur mündlichen Verhandlung geladen und ihn persönlich angehört. Dabei hat der Beklagte zu 1) den vom Kläger behaupteten Unfallhergang bestätigt.

Der Kläger hält die Streithilfe für unzulässig, da die Beklagte zu 2) selbst Partei des Rechtsstreits sei und der Rechtsstreit wegen des Geständnisses des Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung bereits entscheidungsreif sei. Das LG hat mit Zwischenurteil vom 11.3.2009 die Streithilfe zugelassen. Gegen das ihm am 18.3.2009 zugestellte Zwischenurteil hat der Kläger am 31.3.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, die er im Wesentlichen damit begründet, dass wegen des Geständnisses des Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung ein rechtliches Interesse der Beklagten zu 2) an der Streithilfe fehle.

II. Die gem. §§ 71 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das LG hat die Streithilfe der Beklagten zu 2) auf Seiten des Beklagten zu 1) zu Recht zugelassen.

Der Umstand, dass die Beklagte zu 2) selbst Prozesspartei ist, steht der Zulässigkeit ihres Beitritts nicht entgegen. Da bei einer Streitgenossenschaft in Wahrheit mehrere selbständige, aber verbundene Prozesse vorliegen, kann ein Streitgenosse nach allgemeiner Auffassung dem anderen beitreten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 66 Rz. 6 m.w.N.).

Das nach § 66 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der Streithilfe liegt vor. Das Rechtsschutzinteresse der Beklagten zu 2) beschränkt sich nicht auf Abweisung der gegen sie selbst gerichteten Klage. Sie hat darüber hinaus ein rechtliches Interesse i.S.v. § 66 ZPO daran, dass die Klage auch gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen wird. Dies folgt daraus, dass im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten zu 1) mit einer Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) in einem etwaigen Deckungsprozess zu rechnen wäre, deren Erfolg mangels Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses nicht ausgeschlossen wäre. Ferner folgt ihr rechtliches Interesse an der Streithilfe auch daraus, dass eine Einziehungsklage des Klägers in Betracht kommt, sollte er den Anspruch des Beklagten zu 1) aus dem Versicherungsvertrag pfänden.

Die Beklagte zu 2) hat auch hinreichende Anhaltspunkte für die Verabredung eines Unfalles zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) dargelegt. Diese Anhaltspunkte ergeben sich etwa aus dem angegebenen Unfallort, da dort mit unbeteiligten Zeugen nicht zu rechnen war, ferner aus dem behaupteten Unfallhergang, da der geltend gemachte Auffahrvorgang auf ein stehendes Fahrzeug gut zu beherrschen ist, aus der sofortigen Anerkenntnis der Alleinschuld durch den Beklagten zu 1), aus dem Verzicht der Hinzuziehung der Polizei, aus der Entsorgung des Unfallfahrzeugs des Klägers ohne Reparatur und aus dem Umstand, dass nach dem Fahrzeugtyp bei einer Reparatur vergleichsweise hohe Kosten verursacht werden. Zu Recht nennt die Beklagte zu 2) als Indiz für einen gestellten Unfall auch die Schadenshistorie des Fahrzeugs des Klägers, welches zuvor einen schweren Auffahrunfall erlitten hatte und einmal aufgebrochen worden war, und das in beiden Fällen bei dem Abschleppunternehmen des Vaters des Klägers instandgesetzt und der Schaden auf Gutachtenbasis abgerechnet wurde.

Es fehlt auch nicht das Rechtsschutzinteresse an der Streithilfe, da nicht feststeht, dass mit ihr nichts zu erreichen ist. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es der Beklagten zu 2) trotz Beitritt nach der prozessualen Lage von vornherein unmöglich wäre, auf eine Klageabweisung zugunsten des Beklagten zu 1) hinzuwirken (OLG Frankfurt, Versicherungsrecht 1996, 212). Das ist indes nicht der Fall. Insbesondere ist der mögliche Erfolg der Streithilfe der Beklagten zu 2) nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte zu 1) bei seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem LG den vom Kläger behaupteten Unfallhergang bestätigt hat. Zwar dürfte der Beklagten zu 2) entgegen der Ansicht des LG nicht bereits gem. § 69 ZPO die Möglichkeit eröffnet sein, sich in Widerspruch zu Erklärungen des ...

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