Leitsatz (amtlich)

§ 11 Abs. 1 Satz 2 JVEG ist im Wege der Rechtsfortbildung zwecks Berichtigung eines offensichtlichen Redaktionsversehens des Gesetzgebers dahingehend auszulegen, dass das erhöhte Honorar für die Übersetzung nicht elektronisch zur Verfügung gestellter oder sonstiger nicht editierbarer Texte anfällt.

 

Normenkette

JVEG § 11 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Beschluss vom 26.06.2014; Aktenzeichen 4 T 213/14)

AG Wiesbaden (Beschluss vom 09.04.2014; Aktenzeichen 537 F 68/13)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Wiesbaden vom 9.4.2014 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Gegenstand des hier anhängigen weiteren Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung der Vergütung des vom AG in Anspruch genommenen Übersetzers.

Dem Übersetzer wurden vom AG in Papierform zehn Schriftstücke in deutscher Sprache mit der Bitte um Übersetzung in die türkische Sprache übersandt. Eine Zurverfügungstellung der Schriftstücke in elektronischer Form erfolgte nicht. Nach erledigter Übersetzung berechnete der Übersetzer statt des Grundhonorars von 1,55 EUR für jeweils angefangene 55 Anschläge das erhöhte Honorar von 1,75 EUR für jeweils angefangene 55 Anschläge, woraus sich eine Gesamtvergütung von 1.445,79 EUR ergab. Diese setzte das AG auf Antrag des beteiligten Bezirksrevisors mit Beschluss vom 9.4.2014 fest und ließ die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu. Zur Begründung führte das AG aus, der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 2 JVEG sei unter Zugrundelegung des Gesetzeszwecks so zu verstehen, dass das Wort "nicht" auf die gesamte Terminologie der "elektronisch zur Verfügung gestellten editierbaren" Texte Bezug nehme. Würde sich das Wort "nicht" nicht auch auf das Wort "editierbar" beziehen, würde dies dem gesetzgeberischen Willen widersprechen, künftig zwischen der Übersetzung einfacher Texte und der Übersetzung elektronisch zur Verfügung gestellter editierbarer Texte zu unterscheiden. § 11 Abs. 1 Satz 2 JVEG ergebe dann keinen Sinn, denn nicht elektronisch zu Verfügung gestellte, gleichwohl aber editierbare Texte seien nicht vorstellbar.

Mit seiner Beschwerde vom 23.4.2014 begehrte der Bezirksrevisor die Festsetzung eines Honorars von 1,55 EUR für jeweils 55 angefangene Anschläge gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 JVEG, woraus sich eine Gesamtvergütung von 1.283,20 EUR ergibt. Diese setzte das LG Wiesbaden mit dem angefochtenen Beschluss nach Übertragung der Sache auf die Kammer unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des AG fest und ließ die weitere Beschwerde zu. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das LG aus, der Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 2 JVEG, wonach sich das Honorar bei nicht elektronisch zur Verfügung gestellten editierbaren Texten auf 1,75 EUR für jeweils angefangene 55 Anschläge erhöhe, setze die - hier nicht gegebene - Editierbarkeit der Übersetzungstexte voraus. Der Wortlaut des Gesetzestextes könne nicht in sein Gegenteil verkehrt werden.

Mit seiner am 14.8.2014 beim LG eingegangenen weiteren Beschwerde begehrt der Übersetzer unter Vertiefung der vom AG zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Argumente sinngemäß eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landegerichts.

Das LG hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Dem Bezirksrevisor ist Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden. II.

Die zulässige weitere Beschwerde des Übersetzers ist in der Sache begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückweisung der Beschwerde der Staatskasse. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers ist mit dem in § 11 Abs. 1 Satz 2 JVEG vorgesehenen erhöhten Honorar zu vergüten.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 JVEG beträgt das Honorar für eine Übersetzung 1,55 EUR für jeweils angefangene 55 Anschläge des schriftlichen Textes (Grundhonorar). Bei nicht elektronisch zur Verfügung gestellten editierbaren Texten erhöht sich das Honorar auf 1,75 EUR für jeweils angefangene 55 Anschläge (erhöhtes Honorar).

Das LG hat zwar zutreffend festgestellt, dass die vom AG unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Celle (Beschl. v. 19.12.2013 - 1 Ws 535/13, NStZ-RR 2014, 128) vorgenommene Auslegung, wonach sich das Wort "nicht" in § 11 Abs. 1 Satz 2 JVEG sowohl auf das Attribut "nicht elektronisch zur Verfügung gestellt" als auch auf das Attribut "editierbar" bezieht, nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar ist. Eine nicht am Satzende stehende Negation bezieht sich in der deutschen Grammatik nämlich jeweils auf das Satzglied, vor dem sie steht (Beispiel: Ein nicht fahrbereites, blaues Auto ist nicht fahrbereit, kann aber niemals rot sein, sondern ist immer blau, weil sich die Negation nur auf das Attribut "fahrbereit" bezieht.) Dementsprechend kann ein nicht elektronisch zur Verfügung gestellter editierbarer Text niemals nicht editierbar sein, weil sich die Negation ausschließlich auf das Attribut "nicht elektronisch zur Verfügung gestell...

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