Entscheidungsstichwort (Thema)

Billigkeitsgründe bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht bei Scheidung im Ausland

 

Verfahrensgang

AG Königstein (Entscheidung vom 20.09.2011; Aktenzeichen 10 F 236/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 26.09.2011 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Königstein vom 20.09.2011 zu Ziffern 1. bis 4. wie folgt abgeändert:

Die Anordnungen zum Versorgungsausgleich in den Absätzen 1. bis 4. werden aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass hinsichtlich aller Versorgungsanwartschaften der Beteiligten ein Versorgungsausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet. Etwaige Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß §§ 20 ff. VersAusglG bleiben hiervon unberührt.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.458,48 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind geschiedene vormalige Ehegatten. Die Beschwerdeführerin ist portugiesische Staatsbürgerin und lebt in Portugal, der Beschwerdegegner ist Deutscher. Die Eheschließung erfolgte am ...1985, die Zustellung des Scheidungsantrags (d.h. des Antrags auf Umwandlung der Trennung in eine Scheidung nach portugiesischem Recht) erfolgte am ...2006. Die Scheidung wurde von dem Familiengericht in Porto durchgeführt und ist seit dem 23.02.2006 rechtskräftig. Mit Schriftsatz vom 15.05.2006 begehrte die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren die Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäß Art. 17 EGBGB.

Die Beschwerdeführerin hat in der Ehezeit keine Versorgungsanwartschaften im Inland erworben. Das Amtsgericht hat versucht, die Höhe der Versorgungsanrechte der Beschwerdeführerin in Portugal zu ermitteln, jedoch erfolgte von dort keine Rückmeldung. Der Beschwerdegegner hat in der Ehezeit Versorgungsanwartschaften bei der DRV Bund, der VBL und der A AG erworben.

Der Beschwerdegegner hat gemeint, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs unbillig sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich dergestalt durchgeführt, dass es hinsichtlich der drei Anrechte des Beschwerdegegners den Versorgungsausgleich zu einem Viertel statt hälftig durchgeführt hat und ein Wertausgleich im Übrigen derzeit nicht stattfinde. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es der Billigkeit entspreche, den Versorgungsausgleich nur zum Teil durchzuführen aufgrund der unterschiedlichen Lebensverhältnisse in Portugal und Deutschland, weil die Ehegatten auch niemals gemeinsam in Deutschland gelebt hätten. Wegen des weiteren Inhalts des Beschlusses wird auf Bl. 215 ff. d.A. Bezug genommen.

Mit der Beschwerde möchte die Beschwerdeführerin erreichen, dass der Versorgungsausgleich vollständig nach den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt wird.

Die Ermittlungen des Senats im Beschwerdeverfahren zur Höhe der Versorgungsanwartschaften der Beschwerdeführerin in Portugal blieben - auch unter Mithilfe der zuständigen Stellen der Deutschen Rentenversicherung für Portugal - erfolglos.

II. Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-RG, § 48 Abs. 3 VersAusglG das seit 01.09.2009 geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden, weil die erstinstanzliche Entscheidung nach dem 31.08.2010 erging.

Auf die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde war die Entscheidung des Amtsgerichts im in der Beschlussformel erkennbaren Umfang abzuändern.

Die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht widerspricht nicht der Billigkeit nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB a.F. Aufgrund des § 19 Abs. 3 VersAusglG ist der Versorgungsausgleich aber insgesamt derzeit nicht durchzuführen und den §§ 20 ff. VersAusglG vorzubehalten, weil die Höhe der durch die Beschwerdeführerin in Portugal erworbenen Anwartschaften nicht ermittelbar ist.

Der Versorgungsausgleich ist nach Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB a.F. nach deutschem Recht durchzuführen. Der Senat geht von der Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB, allerdings in seiner bis zum 29.01.2013 gültigen Fassung, aus. Die Durchführung des Versorgungsausgleich kommt danach (wie auch nach geltendem Recht) nur dann in Betracht, wenn dies der Billigkeit nicht widerspricht. Die Anwendung von Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB a.F. scheitert am Fehlen des deutschen Scheidungsstatuts. Die Ehegatten hatten nie einen gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland und die Eheschließung erfolgte in Portugal. Auch das die Scheidung durchführende Familiengericht in Porto ging von der Geltung des portugiesischen Scheidungsstatuts aus.

Die Durchführung des Versorgungsausgleichs widerspricht vorliegend nicht der Billigkeit.

Die in Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 EGBGB a.F. vorgesehene Billigkeitsprüfung dient(e) nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 10/5632 S. 42 f.) dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute zu berücksichtigen und internationalen Elementen des Eheverlaufs Rechnung zu tragen. Vor ...

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