Entscheidungsstichwort (Thema)

Abweisung des Erbscheinsantrags bei Weigerung, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben

 

Leitsatz (amtlich)

Verweigert ein Abkömmling bei der Stellung des Erbscheinsantrags nach dem zuletzt verstorbenen Elternteil ohne rechtfertigenden Grund eine durch Zwischenverfügung angeforderte eidesstattliche Versicherung, dass keiner der Schlusserben den Pflichtteil verlangt und damit gegen die Pflichtteilssanktionsklausel des gemeinschaftlichen Testaments der Eltern verstoßen hat, so kann dieses zur Abweisung des Erbscheinsantrags führen.

 

Normenkette

BGB § 2354 Abs. 1, § 2356 Abs. 2 S. 1; FamFG § 27 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Darmstadt (Beschluss vom 08.11.2010; Aktenzeichen 41 VI 736/1 (2010))

AG Darmstadt (Beschluss vom 04.10.2010; Aktenzeichen 41 VI 736/1 (2010))

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 62.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat in einem notariell beurkundeten Erbscheinsantrag vom 22.6.2010 unter Berufung auf das notarielle gemeinschaftliche Testament ihrer Eltern vom 18.8.1983 für sich und ihre beiden Geschwister einen Erbschein beantragt, der sie als Miterben zu je einem Drittel nach ihrem am -.-. 2010 verstorbenen Vater ausweist. Der Erblasser ist am -.-. 2010 verstorben, seine Ehefrau am -.-. 1993.

Die Rechtspflegerin hat die Antragstellerin im Hinblick auf die im gemeinsamen Testament enthaltene Pflichtteilsstrafklausel daraufhin gewiesen, dass im Erbscheinsantrag die Angabe fehle, dass keiner der Erben nach dem Tode des erstversterbenden Ehegatten Pflichtteilsansprüche geltend gemacht habe. Die Rechtspflegerin hat insoweit eine Antragsergänzung mit entsprechender eidesstattlicher Versicherung erbeten.

Die Antragsstellerin bzw. der beurkundende Notar hat dies verweigert. Die Strafklausel für einen Abkömmling, der Pflichtteilsansprüche geltend machte, sei eine auflösende Bedingung, die hinsichtlich des Erbteils eine Enterbung und die Anordnung der gesetzlichen Erbfolge zur Folge habe. Da die eidesstattliche Versicherung ausdrücklich die Angabe enthalte, dass der Versichernden keine Umstände bekannt seien, die der Richtigkeit ihrer Angaben entgegenstünden, sei damit auch ausdrücklich versichert, dass auch nicht hinsichtlich eines Erbanteils die Erbfolge entfallen und an diese Stelle die gesetzliche Erbfolge getreten sei. Es sei dem Bürgerlichen Recht fremd - soweit nicht ausdrücklich eine gesetzliche Anordnung bestehe - negative Tatsachen zu beweisen.

Nach erneutem Schriftwechsel und einem dem Notar am 23.9.2010 zugestellten richterlichen Beschluss vom 16.9.2010, dass die Zwischenverfügung der Rechtspflegerin nicht selbständig anfechtbar sei, hat die Rechtspflegerin durch Beschluss vom 4.10.2010 den Erbscheinsantrag zurückgewiesen.

Dagegen hat der Notar für die Antragstellerin mit einem am 22.10.2010 eingereichten Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerin rügt, die Ergänzung der eidesstattlichen Versicherung sei zu Unrecht verlangt worden. Die Idee, die Antragstellerin könne die auflösende Bedingung übersehen haben, liege fern jeder Lebenserfahrung. Die auflösende Bedingung sei der einzige Grund gewesen, der das Erbrecht der Antragstellerin und der übrigen Erben habe ausschließen können. Deswegen sei auch der Erbschein benötigt worden. Der Notar habe den Testamentsinhalt geprüft und den Urkundsbeteiligten belehrt. "Soll etwa auch der Notar die auflösende Bedingung "übersehen" oder "irrtümlich für unwirksam gehalten" haben?"

II. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 61, 63 Abs. 1 FamFG). Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

Verweigert der Antragsteller eines Erbscheins ohne rechtfertigenden Grund eine durch Zwischenverfügung verlangte eidesstattliche Versicherung nach § 2356 Abs. 2 BGB, so führt dieses zur Abweisung des Erbscheinsantrags (OLG Frankfurt vom 10.6.1996, FamRZ 1996, 1441 ff = FGPrax 1996, 190 ff = MDR 1996, 1153 = NJWE-FER 1996, 43 ff = OLGReport Frankfurt 1996, 177 ff = Rpfleger 1996, 511 ff; Stefanie Herzog in Staudinger (2010), § 2356 BGB Rz. 52; Palandt/Edenhofer, § 2356 BGB Rz. 13).

Dies kann auch gerechtfertigt sein, wenn bei einer Pflichtteilsstrafklausel der Nachweis zu erbringen ist, dass die Klauselfolgen nicht ausgelöst worden sind. Dass die Antragstellerin und ihre beiden Geschwister vom Erblasser nach dem Tod der vorverstorbenen Mutter ihren Pflichtteil nicht verlangt haben, ist eine negative Tatsache, für deren Nachweis sich auch im Erbscheinsverfahren die eidesstattliche Versicherung anbietet (vgl. zum Nachweis des Nichteingreifens der Pflichtteilsklausel als negative Tatsache beim Grundbuchamt auch OLG Frankfurt vom 18.11.1993 = MittBayNot 1994, 156 ff = DNotZ 1995, 312 ff = NJW-RR 1994, 203 ff = OLGReport Frankfurt 1994, 14 ff = OLGZ 1994, 262 ff = Rpfleger 1994, 206 ff; LG Koblenz, Beschl. v. 19.9.1994 - ...

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