Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlasspflegschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Über die Akteneinsicht in anderer Weise als in der Geschäftsstelle des Gerichts ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ein Rechtsanspruch darauf, dass die Akten dem Verfahrensbevollmächtigten zur Einsicht in seine Büroräume überlassen werden, besteht nicht.

 

Normenkette

BGB § 1960

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 18.04.1991; Aktenzeichen 2/9 T 277/91)

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 04.03.1991; Aktenzeichen Hö 4b VIII 140/87)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt am Main – Abteilung Höchst – vom 04.03.1991 werden aufgehoben, soweit durch sie die Überlassung der Akten an den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten … zum Zwecke der Einsichtnahme in seinen Büroräumen abgelehnt worden ist.

Das Amtsgericht hat dem Verfahrenbevollmächtigten des Beteiligten die Gerichtsakten zur Einsichtnahme in dessen Kanzlei nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses zu überlassen.

 

Gründe

Die zulässige weitere Beschwerde ist in der Sache begründet.

Wenn um Akteneinsicht in anderer Weise als in der Geschäftsstelle des Gerichts nachgesucht wird, ist darüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden; weder der Beteiligte noch sein Verfahrensbevollmächtigter haben einen Rechtsanspruch darauf, daß die Akten dem Verfahrensbevollmächtigten zur Einsicht in seine Büroräume überlassen werden (BGH NJW 61, 559; BFH NJW 76, 1288; 79, 1728; Senatsbeschluß 20 W 52/89 vom 10.02.1989). Die Vorentscheidungen sind nicht ermessensfehlerfrei ergangen.

Bei dem Hinweis auf die Geheimhaltung der in den Akten enthaltenen ärztlichen Gutachten und personenbezogenen Daten haben Amts- und Landgericht übersehen, daß die Verfügungsmacht über dem Geheimnisschutz unterliegende persönliche Umstände eines verstorbenen Pfleglings entweder auf die Erben oder auf die nächsten Angehörigen übergeht. Der Beteiligte ist aber sowohl Miterbe als auch ein Sohn des hier verstorbenen Pfleglings. Dem stehen die zitierten, hier aber nicht einschlägigen Entscheidungen des BVerfG (NJW 84, 419) und des OLG München (OLGZ 72, 360, 363) nicht entgegen, zumal einerseits die gänzliche Geheimhaltung im Hinblick auf denjenigen, der die Akten einsieht, auch bei der vom Amtsgericht schon zugebilligten Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle des Gerichts nicht gewahrt wäre; andererseits erscheint die Gefahr, daß andere Personen als der Rechtsanwalt sich mißbräuchlich Kenntnis vom Akteninhalt verschaffen, in einer Rechtsanwaltskanzlei nicht wesentlich größer als in der Geschäftsstelle des Gerichts. Sie ist jedenfalls so gering, daß sie vernachlässigt werden kann.

Nach dem Vortrag des Beteiligten soll die Pflegschaft vor allem in wirtschaftlicher Sicht (Vermögensverwaltung) überprüft werden. Dies ist im Hinblick auf den Inhalt und Umfang der Akten zeitaufwendig und dem Verfahrensbevollmächtigten auf der Geschäftsstelle des Gerichts, wo oft ein ruhiges Aktenstudium nicht möglich ist, nicht zumutbar. Die Vorinstanzen haben auch nicht festgestellt, daß der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten … unzuverlässig ist oder bei ihm schon Akten verloren gegangen sind. Unter diesen Umständen verdichtet sich das Ermessen des Gerichts auf eine Pflicht zur Überlassung der Akten (vgl. auch LG Mannheim AnwBl 78, 106), so daß der Senat abschließend entscheiden kann.

Die Überlassung der Akten sollte allerdings, um einen möglichen Verlust zu vermeiden, so erfolgen, wie es der Verfahrensbevollmächtigte selbst angeboten hat (Schriftsätze vom 26.02. und 07.05.1991), nämlich so, daß er die Akten persönlich abholt und kurzfristig persönlich wieder zurückbringt.

 

Unterschriften

Dr. Dittrich, Ruhl

 

Fundstellen

Haufe-Index 940635

NJW 1992, 846

OLGZ 1992, 166

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