Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllungsort für das Einsichtsrecht des Patienten in Behandlungsunterlagen

 

Leitsatz (amtlich)

Nach allgemein anerkannter Rechtsprechung hat der Patient grundsätzlich ein Einsichtsrecht in die Originalbehandlungsakten. Ein Anspruch auf Zusendung besteht jedoch nicht. Gemäß § 811 Abs. 1 BGB ist in den Fällen des § 810 BGB der Vorlegungsort derjenige, an dem sich die Unterlagen befinden.

 

Normenkette

BGB §§ 810, 811 Abs. 1; ZPO § 93

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.03.2011; Aktenzeichen 2/14 O 434/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil des LG Frankfurt/M. vom 17.3.2011 (Az.: 2/14 O 434/10) abgeändert und die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens, dem Kläger auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Mit Schreiben vom 21.5.2010 forderte die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte auf, ihr die Behandlungsdokumentation des Klägers vollständig in Kopie zukommen zu lassen (K1, Bl. 7 d.A.). Mit Schreiben vom 9.7.2010 erinnerte sie die Beklagte mit dem Hinweis, dass die Herausgabe der Behandlungsdokumentation bzw. die Übersendung von Kopien eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag darstelle, an die Übersendung der Behandlungsdokumentation (K2, Bl. 9 d.A.). Mit Einwurf-Einschreiben vom 6.8.2010 forderte sie die Beklagte letztmalig auf, ihr Kopien der Behandlungsdokumentation zukommen zu lassen (K3, Bl. 10, 11 d.A.). Die Beklagte reagierte nicht. Mit Klageschrift vom 29.9.2010 kündigte der Kläger die folgenden Anträge an:

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Fotokopien über die von ihr gefertigte Behandlungsdokumentation betreffend die Behandlung des Klägers seit dem 1.10.2008 bis heute, bestehend aus objektiven physischen Befunden, Berichten über durchgeführte Behandlungsmaßnahmen nebst Medikation sowie über die erfolgte Aufklärung, herauszugeben;

2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Behandlungsunterlagen im Sinne der Ziff. 1 zu Händen eines Bevollmächtigten des Klägers zur Einsichtnahme im Original zur Verfügung zu stellen.

Mit Klageerwiderung vom 3.1.2011 wies die Beklagte auf die anerkannte Rechtslage zu §§ 810, 811 BGB hin und erklärte hilfsweise unter Verwahrung gegen die Kostenlast:

Die Beklagte erkennt an, dem Kläger Fotokopien über die von ihr gefertigte Behandlungsdokumentation betreffend die Behandlung des Klägers seit dem 4.9.2008 bis einschließlich 17.6.2010, bestehend aus objektiven physischen Befunden, Berichten über durchgängige Behandlungsmaßnahmen nebst Medikation sowie über erfolgte Aufklärung, Zug um Zug gegen Erstattung der Kosten herauszugeben.

Die Kosten der Fertigung und Übersendung der Kopien bezifferte die Beklagte auf insgesamt 7,45 EUR. Nach Überweisung des Betrages anerkannte die Beklagte den Anspruch zu Ziff. 1 der Klageschrift vom 29.9.2010 mit Schriftsatz vom 11.3.2011 und überreiche dem Kläger die im Einzelnen bezeichneten Unterlagen in Fotokopie (Bl. 36a bis 36 m d.A.).

Mit Anerkenntnisurteil vom 17.3.2011 hat das LG Frankfurt/M. die Beklagte nach dem Klageantrag zu Ziff. 1 der Klageschrift vom 29.9.2010 verurteilt und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Gegen die Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 99 Abs. 2 S. 1 ZPO). Der Streitwert der Hauptsache übersteigt den Wert des Beschwerdegegenstandes von 600 EUR (§§ 99 Abs. 2 S. 2, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Kläger hat die in einem künftigen Arzthaftungsprozess zu verfolgenden immateriellen und materiellen Schadensersatzansprüche mitgeteilt und ausreichend begründet. Danach beziffert sich der Streitwert einer künftigen Klage auf insgesamt 690.000 EUR. Da die Geltendmachung eines Anspruchs auf Einsichtnahme in Krankenunterlagen ein in der ärztlichen Dokumentation verkörpertes Auskunftsbegehren hinsichtlich des Ablaufs der Behandlung darstellt, wird dieses Auskunftsbegehren regelmäßig mit einem Teilwert der Hauptsache bewertet. Dabei ist die Höhe des Bruchteils davon abhängig, in welchem Maß die Durchsetzung der Hauptsacheforderung von der begehrten Auskunft abhängt (OLG Saarbrücken MedR 2007, 308). Die Behandlungsdokumentation bildet hier die entscheidende Grundlage für die künftige Haftungsklage, so dass die Festsetzung des LG mit 2/10 des Hauptsachewertes nachvollziehbar ist.

Der Gegner ist gehört (§ 99 Abs. 2 S. 3). Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 ZPO).

II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.

Die Beklagte hat keinen Anlass zur Klage gegeben, vielmehr hat sie nach Kostenzahlung den Anspruch sofort anerkannt (§ 93 ZPO).

Nach allgemein anerkannter Rechtsprechung hat der Patient grundsätzlich ein Einsichtsrecht in die Originalbehandlungsakten, was zum Einen aus einer Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag, zum Anderen aus § 810 BGB hergeleitet wird und darüber hinaus von der Rechtsprechung u.a. mi...

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