Leitsatz (amtlich)

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der es einem sorgeberechtigten Elternteil untersagt wird, aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen sowie das Bundespolizeipräsidium ersucht wird, durch geeignete Maßnahmen die Ausreise zu verhindern, bedarf aufgrund der damit verbundenen Einschränkung des Elternrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) einer Ermächtigungsgrundlage.

Der Gefährdung des Kindeswohls durch eine befürchtete Verletzung der (mit-) sorgeberechtigten Befugnisse des anderen Elternteils kann mit einer Maßnahme auf Grundlage des § 1666 BGB begegnet werden.

Auf Grundlage des § 1666 Abs. 1 BGB kann die Bundespolizei um präventiv-polizeiliche Maßnahmen ersucht werden. Nach §§ 30 Abs.3, 5, 39 Abs.2 BPolG sind die Grenzschutzbehörden ermächtigt, personenbezogene Daten in den Fahndungsbestand des polizeilichen Informationssystems aufzunehmen (sog. Grenzsperre), soweit die Gefahr besteht, dass ein Minderjähriger der Obhut eines Personensorgeberechtigten entzogen werden soll.

Der Erlass entsprechender kinderschutzrechtlicher Maßnahmen des Familiengerichts setzt neben der Kindeswohlgefährdung die durch konkrete Umstände begründete Besorgnis voraus, dass ein Elternteil das Kind nach einer Ausreise aus dem Ausland nicht zurückzubringen beabsichtigt.

Das Verfahren ist in derartigen Fällen geprägt vom Grundsatz der Amtsermittlung sowie die auch im Amtsverfahren bestehenden Mitwirkungspflichten der Beteiligten.

 

Tenor

I. Der Beschluss des Amtsgerichts -X vom 07.03.2018 wird wie folgt abgeändert:

"In Abänderung des Beschlusses vom 23.01.2018 wird festgestellt, dass kindesschutzrechtliche Eilmaßnahmen nicht zu treffen sind."

II. Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens werden den Eltern jeweils zur Hälfte auferlegt; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Beschwerdewert wird auf 1.500,- Euro festgesetzt.

IV. Der Mutter wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... bewilligt.

 

Gründe

I. Die weiteren Beteiligten sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am XX.XX.2016 geborenen B. Der weitere Beteiligte zu 2. hat die Vaterschaft am 07.02.2017 zu Urk.-Reg. Nr. .../2017 beim Stadtjugendamt Stadt2 anerkannt. Die Mutter stimmte dem vor dem Jugendamt des C-Kreises unter Urk.-Reg. Nr. .../2017 am 28.04.2017 zu.

Die Mutter reiste im April 2017 nach Deutschland ein und lebte gemeinsam mit dem Kind und dem Vater in ... Stadt3. Sie musste in der Folge zeitweise ausreisen, um ein Visum zu erhalten. Seit Oktober 2017 unterhält sie gemeinsam mit dem Kind einen Haushalt in Deutschland; der Vater lebt von beiden getrennt.

Den Eltern wurde aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts -Familiengericht- X vom 16.01.2018, Az. ..., die elterliche Sorge zur gemeinsamen Ausübung übertragen.

Am 21.01.2018 begehrte der Vater bei dem Amtsgericht, der Mutter im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, gemeinsam mit dem Kind die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Er verwies darauf, dass die Mutter plane, dauerhaft nach Usbekistan auszuwandern. Sie habe ihm gedroht, er würde das Kind niemals wieder sehen, wenn er sie nicht finanziell unterstütze. Sie habe gegenüber einem Polizeibeamten geäußert, das Kind entführen zu wollen und bereits ein Ticket für einen Hinflug nach Stadt4 erworben. Der Beamte habe in der Folge das Jugendamt von dem Sachverhalt in Kenntnis gesetzt.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 23.01.2018 dem Begehren des Vaters entsprochen. Auf Antrag der Mutter wurde über den Erlass der einstweiligen Anordnung am 22.02.2018 mündlich verhandelt. Sie führte aus, nach Deutschland gekommen zu sein, um hier eine Familie aufzubauen und arbeiten zu können. Sie habe geplant, das Land lediglich zeitweise zu verlassen, um ihre kranke Mutter zu besuchen.

Durch Beschluss vom 07.03.2018 hat das Amtsgericht die Entscheidung vom 23.01.2018 aufrechterhalten. Inhaltlich führt es aus, die Mutter habe sich nicht glaubhaft von ihrer Ankündigung, sie werde nach Usbekistan auswandern, distanziert.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Mutter vom 20.03.2018. In dieser verweist sie wiederholt darauf, nicht beabsichtigt zu haben, das Land dauerhaft zu verlassen. Ihre Mutter sei der einzige Grund gewesen, weshalb sie eine Reise nach Usbekistan beabsichtigte.

Der Berichterstatter des Senats hat am 4. Juni 2018 sowohl mit Herrn D von der Polizeistation Stadt5 als auch mit Frau Z1 vom Selbstverwalteten Jugendzentrum Stadt6 telefonische Rücksprache gehalten.

II. Die Beschwerde ist nach § 57 Abs. 1 S. 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerde ist statthaft, weil sie sich gegen einen aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenen Beschluss richtet. Nachdem das Amtsgericht in dem parallel betriebenen Verfahren der Hauptsache zu Az. ... am 16.01.2018 eine Endentscheidung getroffen hatte, gestaltete es das sorgerechtliche Verhältnis durch Erlass der einstweiligen Anordnung vom 23.01.2018, welche durch ...

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